Stellungnahme – AG der Institute für Bienenforschung: Konkurrenz zwischen Wildbienen und Honigbienen

In Deutschland werden circa 900.000 Völker der Honigbiene (Apis mellifera L.) gehalten (1). Im gleichen Gebiet leben über 500 Wildbienenarten (2), von denen in Deutschland über 50% in ihrem Bestand gefährdet sind (3). Sowohl die imkerlich betreuten Honigbienen als auch die Wildbienen ernähren sich hauptsächlich von Blütenstaub und Nektar. Der Gedanke liegt nahe, dass auf diese Weise Konkurrenzsituationen um knappe Nahrungsressourcen zwischen Honig- und Wildbienen entstehen können. Diese Konkurrenzdebatte hat sich in den letzten Jahren intensiviert. Insbesondere die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft interessiert sich verstärkt für das Thema, wie es etwa in dem in 2018 in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Science“ veröffentlichten Positionspapier von Geldmann und Gonzalez-Varo erkennbar ist (4). Noch mehr Brisanz gewinnt das Thema vor dem Hintergrund der Einbürgerung von Bienen in Regionen außerhalb ihres angestammten, natürlichen Verbreitungsgebietes (5, 6). Bereits vor Jahrhunderten wurden Honigbienen in neue Ökozonen verfrachtet. In jüngerer Zeit werden auch andere bestäubende Bienen, wie z. B Hummeln und Mauerbienen, zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion ausgesiedelt (7, 8).

Diese wichtigen Themen werden im Positionspapier „Wildbienen first“ von Herrn Burger aufgegriffen (9). Die Publikation weist darauf hin, dass in der öffentlichen Wahrnehmung mit „Bienen“ nahezu ausschließlich Honigbienen gemeint sind und die Vielzahl der Wildbienenarten ignoriert wird. Neben der Erläuterung einiger grundlegender Aspekte zur Lebensweise von Wildbienen diskutiert Herr Burger die Bestäubungsleistung von Honigbiene und Wildbienen. Dabei stellt er die allgemein angenommene gute Bestäubungsleistung der Honigbienen in Frage und behauptet, Wildbienen könnten effektiver bestäuben und seien deswegen die wichtigsten Bestäuber. Darüber hinaus würden imkerlich betreute Bienenvölker eine Gefahr für Wildbienen darstellen, da sie im Wettstreit um knappe Nahrungsressourcen konkurrenzstärker sind und Wildbienen somit verdrängen könnten. Außerdem stellten sie ein gefährliches Reservoir exotischer Pathogene dar, die auf Wildbienen übergehen könnten.

Wie ist die Bestäubungsleistung der Honig- und Wildbienen einzuschätzen?

Eine realistische Einschätzung der Bestäubungsleistung von Wild- und Honigbienen erfordert fundierte und umfassende wissenschaftliche Datenerhebung und Auswertung. Nach einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit (10) von Klein et al. (2018), die 203 zu diesem Thema erschienene Studien auswertet, ist Apis mellifera nach wie vor als wichtigster Bestäuber anzusehen; die Honigbiene wird in 164 der 203 ausgewerteten Studien genannt. Vor allem in wichtigen landwirtschaftlichen Kulturen ist die Bestäubungsleistung der Honigbiene eminent und unverzichtbar. Dennoch sind auch dort Wildbienen für eine stabile Fruchtbildung wichtig, daher ist eine Betrachtung der Wildbienen und Honigbienen als miteinander im Wettbewerb stehende Konkurrenten grundsätzlich wenig zielführend. Im Gegenteil – Wildbienen und Honigbienen ergänzen sich und erhöhen somit die Resilienz eines Agrarökosystems gegen Störungen von außen (10). Die Raum- und Zeitmuster des Sammel- und Aktivitätsverhaltens vieler Wildbienen unterscheiden sich von denen der Honigbienen, so dass eine sichere Bestäubung nur durch das Zusammenwirken beider garantiert ist. Auch die von Burger zitierte Studie von Garibaldi et al. 2012 (11), die von einer prozentual höheren Bestäuberleistung der Wildbienen berichtet, betont die Komplementarität von Wildbestäubern und bewirtschafteten Bienenvölkern. Schwieriger ist es, abzuschätzen, welche Beiträge die einzelnen Bienenarten für die Bestäubung wilder Pflanzen in den Naturräumen leisten. Die Datenlage dazu ist dünn und es gibt hier noch erheblichen Forschungsbedarf. Dies gilt besonders bei Pflanzenarten, die von hochspezialisierten Bestäubern beflogen werden. Verallgemeinerungen sind nicht hilfreich. Einzelfallbetrachtungen sind erforderlich.

Trifft die Vorstellung einer kritischen Konkurrenzsituation zwischen Wild- und Honigbienen zu?

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass eine massive Präsenz von Bienenvölkern Wildbienen beeinflusst. Effekte auf die Anzahl der Blütenbesuche und der aufgesuchten Pflanzen sind dokumentiert (12) und werden als Beleg für eine Konkurrenz zwischen Wildbienen und imkerlich genutzten Bienenvölkern gedeutet. Jedoch ist unklar, ob es sich hier um Momentaufnahmen oder um kritische Konkurrenzsituationen mit langfristigen, populationsrelevanten Effekten handelt. Die substantielle Frage, inwiefern die Honigbiene Wildbienenarten verdrängen könnte, wurde in der Mehrzahl dieser Studien nicht untersucht (5). Burger bemüht in seiner Arbeit das Beispiel der auf Heidekraut spezialisierten Wildbienenarten, von denen etwa ein Viertel vom Aussterben bedroht ist. Bienenvölker, die in die Heide aufgewandert werden, sollen wegen der Konkurrenz um Pollen und Nektar die Bestände dieser Wildbienenarten gefährden. Untersuchungen zur Konkurrenz zwischen der Honigbiene und verschiedenen oligolektischen Solitärbienenzeigten jedoch, dass die Solitärbienen durch Nahrungskonkurrenz kaum beeinträchtigt werden (13, 14). Der Mangel an Nistmöglichkeiten und die damit verbundenen Einschränkungen bei der Reproduktion stellen eine viel stärkere Bedrohung für Solitärbienen dar (15). Die Verfügbarkeit von Brutplätzen und die Wertigkeit des Lebensraums sind entscheidende Charakteristika der Landschaftsgestaltung und stehen in keinerlei Zusammenhang mit Honigbienen. Neuere Untersuchungen kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass die Gegenwart von Honigbienenvölkern das Vorkommen von Wildbienen nicht gefährdet (11, 16). Daraus kann geschlossen werden, dass Honigbienen–zumindest in ihrem angestammten Verbreitungsgebiet- keine Gefahr für Wildbienen darstellen. In den natürlichen Verbreitungsgebieten kann von einer evolutionär eingespielten Koexistenz zwischen Honigbienen und Wildbienen ausgegangen werden.

Schaden Bienenvölker Wildbienen?

Es gibt einige Studien, in denen für Honigbienen typische Pathogene auch in Wildbienen, v.a. Hummeln (Bombus sp.)nachgewiesen werden können, woraus auf eine Übertragung durch Honigbienenvölker geschlossen wird (17, 18). Allerdings werden auch Hummelvölker in der landwirtschaftlichen Bestäubung kommerziell eingesetzt, gezielt produziert und in großem Stil, auch über Grenzen hinweg, gehandelt und auf diese Weise Pathogene übertragen. Schwierig ist die Frage zu beantworten, ob der Austausch von Erregern bestandsgefährdende Effekte hat (17), und ob mit der Übertragung unter Freilandbedingungen ein wesentlicher Fitnessverlust der wilden Hummelarten einhergeht. Zur Übertragung von Pathogenen der Honigbiene auf solitär lebende Wildbienen gibt es bisher nur wenige Daten. Zwar wurden bereits einige der in Honigbienen häufigen Viren auch in Solitärbienen nachgewiesen (19), jedoch konnte nicht gezeigt werden, dass dies das Resultat einer Übertragung durch die Honigbiene war. Ebenso konnte im Infektionsversuch keine negative Auswirkung auf Solitärbienen beobachtet werden. Darüber hinaus haben zahlreiche Viren, insbesondere solche, deren Erbgut aus RNA besteht, sehr häufig ein breites Wirtsspektrum, und viele der aus Honigbienen bekannten Viren sind auch in anderen Insekten, z.B. Wespen, Fliegen oder Käfern nachgewiesen worden. So besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, bevor eine wirklich realistische Einschätzung des Gefährdungspotentials für Wildbienen durch Krankheitserreger der Honigbiene abgegeben werden kann.

Risiko der Konkurrenzdebatte

Die derzeit verfügbare wissenschaftliche Datenlage lässt nicht den Schluss zu, dass die Präsenz von Honigbienen pauschal ein Risikomoment für Wildbienen darstellt. Nachgewiesenermaßen bedrohlich für Wildbienen sind jedoch u. a. der Verlust von Lebensraum durch Habitatzerstörung und –fragmentierung (20), die Überdüngung von Magerstandorten durch Stickoxidemissionen und intensive Landwirtschaft, der Klimawandel sowie der Einsatz diverser Insektizide. Eine Konfrontation zwischen Naturschützern und Bienenhaltern wird nichts zur Verbesserung dieser Situation beitragen, und eine Verbannung von Honigbienen aus Naturräumen wird nicht für nachhaltigen Schutz der Bestäuberfauna sorgen können.

Handlungsempfehlung

Naturschutzbehörden neigen teilweise dazu, bewirtschaftete Bienenvölker aus den Schutzgebieten fernzuhalten. Erfahrungen aus Holland lassen jedoch daran zweifeln ob dies für Wildbienen in jedem Fall nützlich ist (21). In Einzelfällen mag es sinnvoll sein, die Zahl der aufgestellten Bienenvölker zu begrenzen (22). Inwieweit und unter welchen Gegebenheiten dies tatsächlich zum Schutz der bestehenden Wildbienenfauna beitragen kann, bedarf allerdings fundierter wissenschaftlicher Untersuchungen. Wir halten es für dringend geboten, im politischen Diskurs auf die nachweislich relevanten Gefahren für Wildbienen wie den Habitatsverlust, fehlende Nistgelegenheiten und Überdüngung (s. o.) zu fokussieren. 


Quellen

1. Imkerbund D. 2018; Available from: https://deutscherimkerbund.de/161-Imkerei_in_Deutschland_Zahlen_Daten_Fakten 
2. Westrich P. Die Wildbienen Baden-Würtembergs 1: Allgemeiner Teil: 3–431; Spezieller Teil: 435–972. Ulmer, Stuttgart. 1990. 
3. Westrich P, Frommer U, Mandery K, Riemann H, Ruhnke H, Saure C, et al. Rote Liste der Bienen Deutschlands (Hymenoptera, Apidae)(4. Fassung, Dezember 2007). Eucera. 2008;1(3):33-87. 
4. Geldmann J, González-Varo JP. Conserving honey bees does not help wildlife. Science. 2018;359(6374):392-3. 
5. Mallinger RE, Gaines-Day HR, Gratton C. Do managed bees have negative effects on wild bees?: A systematic review of the literature. PloS one. 2017;12(12):e0189268. 
6. Paini D. Impact of the introduced honey bee (Apis mellifera)(Hymenoptera: Apidae) on native bees: a review. Austral ecology. 2004;29(4):399-407. 
7. Inoue MN, Yokoyama J, Washitani I. Displacement of Japanese native bumblebees by the recently introduced Bombusáterrestris (L.)(Hymenoptera: Apidae). Journal of Insect Conservation. 2008;12(2):135-46. 
8. Goulson D. Effects of introduced bees on native ecosystems. Annual Review of Ecology, Evolution, and Systematics. 2003;34(1):1-26. 
9. Burger R. Wildbienen first – unsere wichtigsten Bestäuber und die Konkurrenz mit dem Nutztier Honigbiene. Naturkunde aus dem Südwesten [Internet]. 2018 02.05.2018. Available from: http://www.natur-suedwest.de/. 
10. Klein A-M, Boreux V, Fornoff F, Mupepele A-C, Pufal G. Relevance of wild and managed bees for human well-being. Current Opinion in Insect Science. 2018. 
11. Garibaldi LA, Steffan-Dewenter I, Winfree R, Aizen MA, Bommarco R, Cunningham SA, et al. Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey bee abundance. Science. 2013;339(6127):1608-11. 
12. Walther‐Hellwig K, Frankl R. Foraging habitats and foraging distances of bumblebees, Bombus spp.(Hym., Apidae), in an agricultural landscape. Journal of Applied Entomology. 2000;124(7‐8):299-306. 
13. Hamm A, Haase S, Wittmann D. Konkurrieren Wildbienen und Honigbienen um die Nahrungsressource Pollen? Fallstudie zur Konkurrenz der Honigbiene Apis mellifera carnica L. und der oligolektischen Wildbiene Heriades truncorum L.. Beitr Hymenopt-Tagung; Stuttgart2004. p. 16-7. 
14. Kühn J, Hamm A, Schindler M, Wittmann D. Ressourcenaufteilung zwischen der oligolektischen Blattschneiderbiene Megachile lapponica L.(Hymenoptera, Apiformes) und anderen Blütenbesuchern am schmalblättrigen Weidenröschen (Epilobium angustifolium, Onagraceae). Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Angewandte Entomologie. 2006;15:389-92. 
15. Hudewenz A, Klein A-M. Competition between honey bees and wild bees and the role of nesting resources in a nature reserve. Journal of Insect Conservation. 2013;17(6):1275-83. 
16. Moritz RF, Härtel S, Neumann P. Global invasions of the western honeybee (Apis mellifera) and the consequences for biodiversity. Ecoscience. 2005;12(3):289-301. 
17. Fürst M, McMahon DP, Osborne J, Paxton R, Brown M. Disease associations between honeybees and bumblebees as a threat to wild pollinators. Nature. 2014;506(7488):364. 4 / 4 
18. McMahon DP, Fürst MA, Caspar J, Theodorou P, Brown MJ, Paxton RJ. A sting in the spit: widespread cross‐infection of multiple RNA viruses across wild and managed bees. Journal of Animal Ecology. 2015;84(3):615-24. 
19. Dolezal AG, Hendrix SD, Scavo NA, Carrillo-Tripp J, Harris MA, Wheelock MJ, et al. Honey bee viruses in wild bees: viral prevalence, loads, and experimental inoculation. PloS one. 2016;11(11):e0166190. 
20. Potts SG, Biesmeijer JC, Kremen C, Neumann P, Schweiger O, Kunin WE. Global pollinator declines: trends, impacts and drivers. Trends in ecology & evolution. 2010;25(6):345- 53. 
21. Kleijn D, Biesmeijer K, Dupont YL, Nielsen A, Potts SG, Settele J. Bee conservation: Inclusive solutions. Science. 2018;360(6387):389-90. 
22. Boecking O. Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen. [cited 2018]; Available from: https://www.laves.niedersachsen.de/tiere/bienenkunde/informationsmaterial/informationsmaterial-des-instituts-fuer-bienenkunde-celle-73963.html#Wespen_Hornissen_und_Wildbienen