Dr. Christoph Otten vom Fachzentrum Bienen und Imkerei in Mayen ist für die Umfrage zur Ermittlung der Winterverluste der Bienenvölker in Deutschland zuständig. Kürzlich sind die Ergebnisse der Onlineumfrage für den Winter 2019/20 erschienen. Die Auswertung zeigt: Die Winterverluste bei Imkern in Deutschland liegen durchschnittlich etwa bei 15 %. Das sind 1,5 % mehr Verluste als im letzten Jahr. Doch das liegt noch im normalen Rahmen, wie Otten im Interview erzählt.
Herr Otten, Sie haben die Ergebnisse der Umfrage des Fachzentrums für Bienen und Imkerei in Mayen zu Winterverlusten bei Bienenvölkern im vergangenen Winter veröffentlicht. Gelten die Ergebnisse für ganz Deutschland?
Otten: Ja. Wir machen diese Umfrage online seit 21 Jahren, und mittlerweile beteiligen sich fast 12.000 Imker aus Deutschland mit Daten für über 150.000 Bienenvölker. Das sind immerhin mehr als zehn Prozent aller Bienenvölker in Deutschland. Die Imker stammen aus allen Regionen Deutschlands. Die meisten kommen aus Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen, aber auch aus den anderen Regionen machen immer mehr Imker mit, insbesondere aus den ostdeutschen Bundesländern. Das festigt die Aussagekraft, aber es dürften gern noch etwas mehr werden.
Winterverluste bei Imkern: Quotient aus eingewinterten und überlebenden Völkern
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Was genau fragen Sie dort ab?
Otten: Wir fragen, wie viele Völker eingewintert wurden und wie viele im Frühjahr noch gelebt haben. Daraus bilden wir dann den Quotienten der Winterverluste. Das ist aber nur eine unserer Umfragen. Mittlerweile haben wir so viel Erfahrung, dass wir schon recht gute Prognosen erstellen können.
Im vergangenen Winter lagen die Verluste bei rund 15 %. Das klingt ziemlich viel – mehr als jedes zehnte Bienenvolk hat den Winter nicht überlebt.
Otten: Die Verluste waren nicht höher als in vielen anderen Jahren auch, man kann sie also als „normal“ bezeichnen. Unsere Prognose lag für diesen Winter sogar noch etwas höher. Wir hatten mit über 20 % Verlusten bundesweit gerechnet. Aber der vergangene Dezember war recht warm, das könnte einige Völker gerettet haben.
Wieso ist das so?
Otten: Wir wissen aus den ermittelten Raten für Winterverluste bei Imkern der letzten Jahre, die wir in Bezug zu den Temperaturen in einzelnen Monaten gesetzt haben, dass sich milde Dezembertemperaturen positiv auf die Bienenvölker auswirken – warum wissen wir noch nicht.
Der vergangene Winter war der zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wirkt sich das auf die Gesundheit der Bienenvölker aus? Man könnte ja zum Beispiel vermuten, dass die Bienen bei hohen Temperaturen insgesamt länger brüten, und die Varroa so mehr Zeit hat, sich im Volk zu vermehren. Das würde dann zu höheren Verlusten führen.
Otten: Ja, der Verdacht liegt natürlich nahe. Man muss aber immer sehr vorsichtig sein mit solchen Aussagen. Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass Milben im Winter nicht so gerne in die Brut gehen, wie sie es im Sommer tun. Die Milbenvermehrung nimmt ab März stark zu und erreicht ihren Höhepunkt im Mai/Juni, danach flacht sie langsam wieder ab. Selbst wenn im Winter Brut im Volk ist – die Bienen reproduzieren sich dann nicht auf Hochtouren.
Uns erreichen aber immer wieder Meldungen von Imkern, die sagen, sie hätten zu der üblichen Behandlungszeit im Sommer kaum Milbenfall gehabt, im September und Oktober dann doch plötzlich sehr viel. Könnte es nicht sein, dass die Bienen in den immer heißer werdenden Hochsommermonaten aus der Brut gehen, und dann im Spätsommer wieder einsteigen – und so länger im Jahr Milben „ausbrüten“?
Otten: Sicher ist das möglich. Uns erreichen solche Meldungen auch. Es muss aber nicht sein, dass diese Milben im betroffenen Volk ausgebrütet wurden, es kann auch sein, dass ein hoher Milbenbefall im Spätsommer auf Räuberei zurückzuführen ist. Wenn wenig blüht, sind die Bienen stärker in anderen Völkern unterwegs – ihre Milben bringen sie dann im Gepäck mit.
Trachtperiode hat 14 Tage früher begonnen
Die Vegetationsperiode hat laut Deutschem Wetterdienst in diesem Jahr 14 Tage früher begonnen als gewöhnlich. Bedeutet das mehr Futter für die Bienen?
Otten: Die Trachtperiode der Biene hat in jedem Fall auch 14 Tage früher begonnen. Da kann man an den Daten der Stockwaagen genau ablesen, die verteilt in ganz Deutschland stehen. Sie zeigen gerade starke Zunahmen an. Das heißt aber nicht, dass die Bienen insgesamt mehr eintragen, die Saison ist auch früher zu Ende. Mit der Trockenheit, die mit der Klimaerwärmung einhergeht, sind die Bienen in diesem Jahr aber bisher ganz gut zurechtgekommen. Wenn ein Rapsfeld aufgrund des Wassermangels nicht gehonigt hat, sind sie einfach über das gelbe Feld hinweggeflogen und haben dahinter an Obstbäumen oder Wildgehölzen gesammelt.
Welche Umfrage steht bei Ihnen als nächstes an?
Otten: Wir werden wie in jedem Jahr Ende Juni anonym nach der Frühtrachternte und beeinflussende Faktoren fragen, später noch nach der Sommerernte und im Herbst nach dem Zustand der Bienenvölker.
Wir bedanken uns für das Gespräch!
Die Fragen stellte Silke Beckedorf.
Die genauen Umfrageergebnisse können Sie hier nachlesen>>
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