Prozess um Glyphosat in Honig

11. August 2021

Am Landgericht Frankfurt (Oder) klagt Imker Sebastian Seusing auf Schadensersatz aufgrund von Glyphosat im Honig. Dabei sollte es auch grundlegend um die Frage gehen, ob landwirtschaftliche Betriebe für solche Schäden aufkommen müssen. Doch der Richter scheint diesen Faden nicht aufgreifen zu wollen.

Im Jahr 2019 wurde die brandenburgische Imkerei Seusing gleich von mehreren Fällen getroffen, in denen Honig durch Glyphosat-Anwendungen derart hoch belastet wurde, dass er nicht mehr verkehrsfähig war. Insgesamt musste Sebastian Seusing damals 4.660 kg Honig auf Anweisung der Lebensmittel-Überwachungsbehörde entsorgen. Derzeit klagt der Berufsimker am Landgericht Frankfurt (Oder) gegen die Landwirtschaftsgesellschaft Stadtgüter Berlin Nord KG für zumindest 550 kg auf Schadenersatz. Diesen Teilschaden beziffert er auf 14.455 Euro aufgrund verlorener Einnahmen für Honig und Wachs, Entsorgungskosten sowie zusätzlichem Arbeitsaufwand.

Hohe Glyphosat-Rückstände

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Ein Mitarbeiter der Landwirtschaftsgesellschaft hatte eine Fläche mit Glyphosat behandelt, auf der Löwenzahn blühte. Daneben standen mindestens 89 Völker des Berufsimkers, deren Bienen am Löwenzahn sammelten. In der Folge lagen die Glyphosatrückständen im Honig bis zu 152-fach über dem zulässigen Grenzwert für Honig von 0.05 mg/kg. Seusing forderte die Gesellschaft auf, ihm den entstandenen Schaden zu ersetzen, doch diese wies die Forderung zurück.

Prozess um Glyphosat: Wer zahlt für Schaden?

Seusing hofft, dass der Prozess eine grundlegende Entscheidung darüber bringt, wer für Glyphosatfreiheit von Honig zu sorgen hat: der Landwirt oder der Imker? Doch der Richter deutete gleich zu Beginn der Verhandlung an, dass er hier eher eine Einzelfallentscheidung sehe. Eine Sichtweise, der Seusings Anwalt, Dr. Georg Buchholz, widerspricht: „Es handelt sich um keinen atypischen Fall.“

In der Folge dreht es sich vor allem um Eigentumsrechte und gegenseitige Informationspflicht. So sieht der Richter es beim Punkt „Eigentumsverletzung“ als relevant an, ob die Beklagte etwas von den Völkern wusste. Fotos zeigen, dass die Bienenvölker, die sich bereits seit einem Jahr am Standort befanden, vom Feld aus gut zu sehen waren. Die Beklagte bestreitet jedoch, von den Völkern gewusst zu haben. „Am Ende kommt es aber überhaupt nicht darauf an, ob die Völker sichtbar waren“, führt Rechtsanwalt Buchholz aus. „Honigbienen fliegen drei Kilometer und mehr, da können die Völker auch ganz woanders stehen.“ Buchholz führt stattdessen einen anderen relevanten Punkt an: „Die geltenden Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich Glyphosat hängen nicht davon ab, ob Bienenvölker neben dem Feld sichtbar sind.“ So widerspricht das Spritzen einer blühenden Fläche mit Glyphosat, wie es in diesem Fall geschah, der guten fachlichen Praxis. Darauf hatte sogar der brandenburgische Pflanzenschutzdienst vorher hingewiesen. Daher sieht Buchholz hier eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten. Doch die Frage nach der Missachtung der guten fachlichen Praxis wird vom Richter nicht weiter aufgegriffen.

Mitverschulden des Imkers?

RA Dr. Georg Buchholz und Imker Sebastian Seusing im Gerichtssaal Foto: Sebastian Spiewok

Stattdessen kommt sogar die Frage auf, ob Seusing eine Mitschuld trifft, weil er die Beklagte nicht explizit auf die Völker aufmerksam gemacht hatte. Der Anwalt der Beklagten führt hier gegen Seusing gar die Empfehlung der Imkerverbände an, Imkerinnen und Imker sollten mit den landwirtschaftlichen Betrieben in Kontakt treten. Seusing erklärt, dass er selbstverständlich die Landwirte kontaktiere, wenn er seine Völker beispielsweise an ein Rapsfeld stelle. Am betroffenen Standort hätten sich die Völker jedoch aufgrund des Robinienbestandes befunden. Die umliegenden Luzernefelder wären für die Bienen hingegen uninteressant gewesen, und er hätte dort auch keinerlei Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erwartet. „In diesem Fall konnte der Imker doch gar nicht an so eine Maßnahme denken“, führt Johann Lütke Schwienhorst von der Aurelia-Stiftung aus, die Seusing in dem Fall unterstützt. „Die war doch völlig sinnlos. In dem Jahr herrschte in allen Viehbetrieben Futterknappheit. Da spritzt man einen Luzernebestand doch nicht aufgrund von Löwenzahns tot. Das hätte noch verfüttert werden können.“

Prozess um Glyphosat: Abruptes Ende

Schließlich beendet der Richter den Gerichtstermin und legt als Verkündigungstermin den 14. September fest. Ob an dem Tag tatsächlich ein Urteil verkündet oder weitere Termine festgelegt werden, steht noch nicht fest. Seusing ist vom abrupten Ende durchaus enttäuscht. Er hatte noch am selben Tag ein Urteil erwartet. „Wie man hören konnte, gibt es in dem Bereich zum Honig bislang kein Urteil“, fasst Buchholz zusammen. „Der Richter deutete an, dass es eher eine Einzelfallentscheidung geben wird, aber wir sind gespannt, ob er nicht doch noch etwas Allgemeines einfließen lässt.“

Für Seusing ist es wesentlich, dass die Landwirtschaft so betrieben wird, dass für andere keine Beeinträchtigungen entstehen. So warf sein Anwalt Buchholz während der Verhandlung auch die Frage auf: „Was wäre denn passiert, wenn Herr Seusing die Landwirtschaftsgesellschaft informiert hätte. Hätte dann Herr Seusing abwandern müssen, oder hätte die Gesellschaft das Glyphosat nicht ausbringen dürfen?“ Dem schloss er an: „Aber die Empfehlung des Pflanzenschutzdienstes sieht hier zum Beispiel auch das Abschlägeln vor. Daher muss jemand, der Gift in die Landschaft bringt, dies so tun, dass kein anderer geschädigt wird.“ Thomas Radetzki, Gründer der Aurelia Stiftung, zeigt sich kämpferisch: „Wenn nötig, gehen wir bis zur letzten Instanz. Ich denke, dass ist auch im Interesse der gesamten Imkerschaft.“

Sebastian Spiewok

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