Landwirte dürfen Zuckerrübensaatgut, das mit dem Neonicotinoid Thiamethoxam behandelt ist, in diesem Anbaujahr auf Äcker ausbringen. Obwohl das Beizmittel sehr giftig ist, bekommt der Wirkstoff eine Notfallzulassung. Thiamethoxam ist als bienengefährlich eingestuft.
Blattläuse übertragen sogenannte Vergilbungsviren auf die jungen Pflänzchen der Zuckerrüben und lassen diese verwelken. So können die Pflanzen nicht wachsen. Da sich die Viren stark ausbreiten und die Züchtung von Rübensorten, die resistent gegen die Viruserkrankungen sind, noch nicht praxistauglich ist, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mehreren Bundesländern eine Notfallzulassung für gebeiztes Saatgut erlassen. Die Zulassung gilt nur für dieses Anbaujahr bei Zuckerrüben.
Neonicotinoid: Hoch toxisch für die Bienen
Jetzt das Bienen-Journal lesen
Das Saatgut ist mit Thiamethoxam ummantelt. Dieser Wirkstoff ist für Insekten hoch toxisch. So lässt er den Blattläusen keine Chance. Schaden kann er aber auch anderen Insekten. So hat das BVL mit der Zulassung Risikominderungsmaßnahmen vorgeschrieben. Zuckerrüben verarbeitende Betriebe sind deshalb unter anderem verpflichtet, Bienensachverständige und Imkerverbände in den betroffenen Regionen über den Zeitraum der Aussaat des behandelten Saatgutes zu informieren, wenn sie Saatgut mit Thiamethoxam einsetzen.
Imkern wird geraten, bei einem Verdacht auf eine Bienenvergiftung in jedem Fall Bienenproben zu nehmen und zur Untersuchung an das Institut für Bienenschutz zu schicken. Dies sollte unter Mithilfe des örtlichen Bienensachverständigen und dem zuständigen Pflanzenschutzdienst erfolgen. Einsenden kann man die Proben an die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen am Julius-Kühn-Institut (JKI). Infos dazu gibt es hier.>>>
Notfallzulassung für Neonicotinoid
Das gebeizte Saatgut für die Zuckerrüben bringen die Landwirte bis Ende April auf den Äckern aus. Die schädlichen Folgen der Neonicotinoide für Insekten sind bekannt – mehrere der Mittel mit diesen Wirkstoffen sind in der EU eigentlich verboten. Dazu gehört auch Thiamethoxam. Zusammen mit den Wirkstoffen Imidacloprid und Clothianidin wurde die Anwendung im Jahr 2018 im Freiland verboten, um Bestäuber – darunter vor allem Bienen – zu schützen. Diese Neonicotinoide dürfen weder versprüht noch zur Saatgutbehandlung angewendet werden.
Die Bienen und andere Bestäuber kommen mit dem Mittel eher nicht über die Pflanze in Kontakt, da die Landwirte die Rüben vor der Blüte ernten. Es besteht jedoch die Gefahr, dass andere Pflanzen den Wirkstoff über die Erde aufnehmen. Daher darf nur eine reduzierte Dosis auf die Äcker, und in der Folge dürfen die Bauern keine Kulturen oder Zwischenfrüchte anbauen, die für Bienen attraktiv sind. Auch Blühstreifen sind auf den entsprechenden Rübenäckern nicht erlaubt.
Neonicotinoid auf den Äckern: Besonderer Schutz für die Bienen nötig?
Doch wie können Imker ihre Bienen schützen? Dr. Jens Pistorius, der Leiter des Instituts für Bienenschutz am JKI erklärt dazu, dass die getroffenen Schutzmaßnahmen ausreichend seien. Ein Risiko für Bienenvölker durch Saatgutbehandlungen in Zuckerrüben sei dadurch weitgehend ausgeschlossen.
Grundsätzlich sei es zwar möglich, dass Bienen mit den Wirkstoffen des Pflanzenschutzmittels in Kontakt kommen, wenn Landwirte dieses als Beizmittel und nicht als Spritzmittel anwenden. Allerdings „stellt die Saatgutbehandlung im Gegensatz zu Spritzungen im Feld grundsätzlich eine insektenfreundlichere Anwendungsform dar, da bienentoxische Wirkstoffe nicht großflächig verteilt werden, und dort alle anwesenden Insekten treffen“, sagt Jens Pistorius. Er erklärt die sogenannten Expositionspfade, über die dennoch auch ein Kontakt mit dem Beizmittelwirkstoffen stattfinden kann:
- durch abgeriebenen Beizmittelstaub während beziehungsweise nach der Aussaat,
- durch die Aufnahme von wirkstoffhaltigen Guttationstropfen an den Pflanzen,
- durch die Aufnahme von potenziell kontaminiertem Pfützenwasser und
- durch die Aufnahme von Wirkstoffrückständen über Nektar und Pollen.
Neonicotinoid: Wenig Risiko im Zuckerrübenanbau
Laut JKI ist bei Zuckerrüben ein Risiko durch Staubabdrift ausgeschlossen. Durch das besondere Beizverfahren, die sogenannte Pillierung (Umhüllen des gleichmäßig runden Saatkorns) würden Stäube nur in geringsten Mengen auftreten. Und auch für die sogenannten Guttationstropfen – Wassertropfen, die Pflanzen über die Blattränder abgeben – gibt Pistorius Entwarnung. Bei Zuckerrüben würden im Vergleich zu Gräsern Guttationstropfen nur sehr selten und dann auch nur in sehr geringer Flüssigkeitsmenge ausgeschieden werden. „Guttationstropfen stellen ebenso wie Pfützenwasser keine dauerhafte Wasserquelle dar und werden von Honigbienen eher selten genutzt.“
Als letzte Kontaktmöglichkeit wäre der Pollen und Nektar selbst zu nennen. Das schließt der Experte aber bei Zuckerrüben grundsätzlich aus, da Zuckerrüben in der Kultur keine Blüten ausbilden. „Auch ein Risiko durch blühende Unkräuter in oder im Nachbau von behandelten Kulturen ist gering, da die Aufnahme von Rückständen aus dem Boden deutlich geringer ist, als bei direkt behandelten Pflanzen. Zudem ist die Aussaat blühender Zwischenfrüchte untersagt“, erklärt er die Schutzmaßnahmen.
Rückstände im Unkraut?
Doch selbst wenn Landwirte verpflichtet sind, eine Unkrautregulierung durchzuführen, kann man das Auftreten für Bienen attraktiver Unkräuter im Bestand nicht vollständig ausschließen. Dann können auch Rückstände in Nektar und Pollen der nicht gebeizten Pflanzen gelangen. Jens Pistorius hält dieses Risiko aber ebenfalls für gering und berichtet von Feldversuchen im Raps. Hierbei zeigten Saatgutbehandlungen mit vergleichbaren Wirkstoffen und Wirkstoffmengen je Hektar auch in hochgradig bienenattraktiven Kulturen und Massentracht wie Winterraps kein Risiko für Bienen.
jtw
Abonnieren Sie unseren Newsletter!
Mit unserem Newsletter sind Sie immer auf dem aktuellen Stand.
Themen: