Nachdem die Brandenburger Imkerei Seusing rund 4,6 t Honig aufgrund von hohen Glyphosat-Rückständen entsorgen musste, erhält sie zumindest für einen Teil davon eine Entschädigung. Das beklagte Agrarunternehmen soll einem Urteil zufolge Schadenersatz zahlen.
Der Prozess um den Glyphosat-belasteten Honig der Imkerei Seusing ging nun weiter – endlich mit einem Urteil. Denn die Imkerei hat den Prozess am Landgericht Frankfurt gewonnen und bekam vollumfänglich Recht. Über das Gerichtsverfahren hat das dbj bereits im vergangenen Jahr berichtet. Die beklagte Landwirtschaftsgesellschaft Stadtgüter Berlin Nord KG muss somit rund 14.500 Euro Schadenersatz für Glyphosatrückstände im Honig zahlen und die Verfahrenskosten zahlen.
Allerdings merkte Richterin Dr. Sabine Scheiper bei der Urteilsverkündung an: „Mir scheint, dass viele erwarteten, dass es darum geht, ob ein Landwirt bei seiner Tätigkeit generell darauf achten muss, ob Bienen vor Ort sind – auch wenn er keine Völker sieht. Das war aber nicht so in meinem Fall. Hier musste man nur auf das Feld und drumherum gehen, um die Völker zu sehen.“ Die Richterin geht davon aus, dass der Landwirt vor der Anwendung des Glyphosats von den Bienenvölkern gewusst haben muss, auch wenn er dies bislang bestritt. Daher sei das Absprühen der Fläche, auf der Löwenzahn blühte, fahrlässig gewesen.
Glyphosat: „Urteil mit Signalwirkung“
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Auch wenn es sich somit um eine Einzelfallentscheidung handelt, sieht Seusings Anwalt, Dr. Georg Buchholz, darin ein Urteil mit Signalwirkung: „Für Imkerinnen und Imker ist jetzt klar, dass sie in solchen Fällen Schadenersatz einfordern können. Aber das Ziel ist ja, dass es gar nicht erst zu solchen Schäden kommt. Wir hoffen daher, dass das Urteil zu einer höheren Aufmerksamkeit in der Landwirtschaft führt.“
Er verweist darauf, dass beispielsweise die Beklagte im Laufe des Prozesses darauf verwiesen hätte, dass es sich um ein bienenungefährliches Mittel gehandelt hätte. Dies zeige ein fehlendes Problembewusstsein für den Produktschutz in der Imkerei, führt der Anwalt aus. „Ein Grundsatzurteil wäre natürlich ideal gewesen. Aber wir haben diesen Fall auch gerade deswegen vor Gericht gebracht, weil die Bienen am Feld standen und der Verursacher klar war.“
Prozess um Glyphosat: Unterstützung von der Aurelia Stiftung
Auch Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung, freut sich über das Urteil, schränkt aber ein: „Wir hätten uns gewünscht, dass die Richterin ausführt, dass die Bienen zur Landwirtschaft gehören und die Landwirte auf sie achten müssen. Ich wünsche mir fast, dass die Beklagte in Berufung geht, damit das noch einmal ausführlich diskutiert wird.“ So sei eine wichtige Frage für die Imkerei gewesen – ob Landwirte Pestizide generell so ausbringen müssen, dass der Imkerei kein finanzieller Schaden durch Rückstände im Honig entsteht – egal, ob Bienenstöcke im Umfeld zu sehen sind oder nicht. „Bei allem Respekt gegenüber der Familie Seusing, aber uns geht es weniger um den Schadenersatz als um eine grundsätzliche Entscheidung“, sagte Radetzki.
Die Stiftung hatte die Familie Seusing finanziell in dem Prozess unterstützt. Da sie jedoch kein Stiftungsvermögen für einen Prozess um privaten Schadenersatz einsetzen konnte, gäbe es durchaus noch einige offene Rechnungen. Das betont Radetzki das finanzielle Risiko ihres Einsatzes. „Von der Sache her wäre es natürlich schön, wenn die höchsten Gerichte in der Sache entscheiden, aber ich denke der Fall hier ist klar“, ergänzt Buchholz. „Wir wollen auch nicht so viel wie möglich prozessieren, das kostet auch Geld.“
Durch die Öffentlichkeitsarbeit der Aurelia Stiftung stieß der Prozess bei den Medien auf größeres Interesse. Im kleinen Gerichtssaal waren gleich mehrere Vertreter von Tageszeitungen sowie ein Fernsehteam anwesend. Seusings selbst waren bei der Urteilsverkündung aufgrund der weiten Anfahrt nicht anwesend. Nach der Aufgabe des Imkereibetriebs aufgrund des Glyphosatschadens war die Familie nach Schleswig-Holstein gezogen. Von Seiten des Agrarunternehmens war nicht einmal der Anwalt bei der Urteilsverkündung anwesend.
Löwenzahn mit Glyphosat abgespritzt
Das Agrarunternehmen hatte 2019 ein Feld, das stark mit Löwenzahn durchwachsen war, mit Glyphosat abgespritzt. Das tat es, obwohl es der guten fachlichen Praxis widerspricht, blühende, für Bienen attraktive Bestände mit dem Wirkstoff zu behandeln. Insgesamt waren 4,6 t Honig von verschiedenen Bienenständen Seusings derart stark mit Glyphosat belastet, dass diese nicht mehr verkehrsfähig waren. In dem Prozess ging es allerdings nur um die 550 kg Honig und das Wachs derjenigen Völker, die direkt an der behandelten Fläche standen, sowie den zusätzlichen Arbeitsaufwand.
Zwei Jahre langes Verfahren
Das Gerichtsverfahren hatte sich über zwei Jahre lang hingezogen, auch weil zwischenzeitlich der Richter wechselte. Der ursprüngliche Richter war vor allem möglichen gegenseitigen Informationspflichten nachgegangen. Dies hatte Anwalt Georg Buchholz bereits kritisiert, da die Frage offen bleiben würde, was die Folge eines Informationsaustausches gewesen wären: „Müsste der Imker dann abwandern? Oder dürfte der Landwirt dann das Pestizid nicht ausbringen?“ Die neue Richterin sah angesichts der Tatsache, dass die Völker sichtbar am Feld standen, jedoch keinen Anlass, der Frage nach einem möglichen Informationsaustausch weiter nachzugehen. Sie hatte bereits beim vorangegangenen Termin zu verstehen gegeben, dass sie in dem Verfahren einige Punkte anders sah als ihr Kollege. Ihr Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Agrarunternehmen hat noch die Möglichkeit, Berufung einzulegen.
Spie
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