Abfegen oder Bienenflucht einsetzen? Pia Aumeier berichtet, warum sie mit der Bienenflucht arbeitet und wie man sie richtig nutzt. Die Honigernte geschieht damit zargenweise, ohne Stress für Imker und Bienen.
Anfangs war ich natürlich – wie jeder Imkerneuling – stolz auf jede einzelne Honigwabe. Vorsichtig zog ich sie heraus, um keine Biene zu rollen und die Wabenoberfläche nicht zu beschädigen. Dann wurde sie an einem Rähmchenohr hochgehalten und mit der anderen Hand der Besen gegriffen. Beide Wabenseiten musste ich zügig und doch schonend von Bienen befreien. Obwohl ich die Waben zum Abfegen aufgestützt hatte, strapazierte auch diese Methode selbst bei geringer Völkerzahl schnell meine Sehnen und Gelenke.
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Dazu kamen noch die Stiche. Aber ich war ja selbst schuld und hatte einzelne Bienen versehentlich mehrfach abgefegt, ihre Beine geklemmt oder sie mit einem klebrigen Besen gerollt. Oder ich war einfach zu zögerlich und hatte so Räuberei ausgelöst. Nach drei Jahren mit fünf Völkern hatte ich endlich genug von dieser Art der Honigernte und kaufte mir eine Bienenflucht. Leider war es zunächst die Falsche.
Alternativen zur Bienenflucht?
Von meinen ersten Versuchen mit der Bienenflucht frustriert, schaute ich mich nach anderen Methoden um, mit denen man Bienen möglichst schnell und schmerzlos aus dem Honigraum befördert. Doch schnell trat die Ernüchterung ein. Denn der vermeintlich elegante Einsatz von abschreckenden Geruchsstoffen erzeugt verbotene Rückstände im Honig und beeinträchtigt seinen Geschmack.
Auch das Versprühen von Wasser ist keine Alternative, setzt es doch wegen der Erhöhung des Wassergehalts ebenso die Honigqualität aufs Spiel. Was gibt es noch an Möglichkeiten? Abkehreinrichtungen mit Bürstensäumen können die Bienen nerven bis töten. Wer seine Bienen mit einem starken Gebläse aus dem Honigraum katapultiert, missachtet das Tierschutzgesetz, muss stichfest sein und ebenso stichfeste Nachbarn haben.
Große Vielfalt an Bienenfluchten
Eine Bienenflucht sitzt in der Regel in einer dünnen Holzplatte, einem Zwischenboden, der ein Loch enthält und von einem etwa fünf Zentimeter hohen Holzrahmen umschlossen ist. Doch jetzt wird’s kompliziert: Auf, in oder unter dem Loch oder Löchern werden eine, beziehungsweise je nach Modell zwei bis vier Konstruktionen aus Plastik oder Metall angebracht. Die Bienen sollen durch diese „Schleuse“ mit den engen Ausgängen den Honigraum zügig und freiwillig nach unten in Richtung Brutraum verlassen.
Die Plastikteile gibt es in eckiger, runder, quadratischer, konischer, zylindrischer oder in Rautenform. Sogar die runden Konstruktionen gibt es in zig Ausführungen: in klein mit zwei Ringkanälen – mein erster Kauf –, in groß mit acht oder 16 radialen Ausgängen – mein zweiter und dritter Kauf – und sogar mit schweifförmigen Ausgängen oder Klappen.
Meine favorisierte Bienenflucht
Mittlerweile besitze ich viele Dutzend rautenförmige, etwa 38 cm breite Bienenfluchten aus Plastik. Diese funktionieren sehr gut. Wer den Holzrahmen und das Brett zusammen mit der Bienenflucht kauft – ein Set kostet etwa 19 Euro –, wahrt damit in der Regel die richtigen Mindestabstände: vom Brett ausgehend etwa einen Zentimeter Abstand nach oben und zwei Zentimeter nach unten in Richtung Absperrgitter. Die von mir bevorzugte rautenförmige Bienenflucht bietet offenbar den besten „Duftkontakt“ der Bienen im Honigraum mit dem Restvolk.
So schnell ist der Honigraum bienenfrei
Die Bienen verlassen den Honigraum vergleichsweise schnell. Ein nicht zu kleines Loch im Brett sowie eine Bienenflucht mit Platz für die Bienen und ausreichend Lüftungslöchern scheinen hierfür ausschlaggebend zu sein. In nur zwölf Stunden sind meine Honigräume bis auf maximal fünf Bienen geleert. Spätestens 24 Stunden nach dem Einlegen der Flucht müssen die Honigräume heruntergenommen werden, denn ohne Bienen zieht der Honig Wasser oder beginnt zu kristallisieren.
Tipp: Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz einer Bienenflucht ist ein Absperrgitter, das die Honigräume königinnen- und brutfrei hält. Auch Waben, die vorher oder aktuell Brut enthalten, dürfen niemals nach oben in den Honigraum gehängt werden, denn allein die alten Larvenhäutchen in den Zellen halten die Bienen im Honigraum.
Bienenflucht einlegen: So geht`s
Wann? Geerntet wird nur reifer Honig, der von den Bienen eingedickt wurde. Ein guter Zeitpunkt ist nach einer Regenphase. Besonders bei der Frühtrachternte fahre ich den Stand im Morgengrauen vor Beginn des Bienenflugs an. So ist sichergestellt, dass noch kein frischer, wasserreicher Nektar eingetragen wurde.
Wo? An Ständen, die mehr als 30 Minuten Fahrzeit entfernt liegen, ernte ich die Honigwaben immer noch mit dem Besen. Die zweimalige Anfahrt im Abstand von 12 bis 24 Stunden lohnt hier nicht. Alle anderen Stände werden mit Bienenfluchten bestückt.
Wie?
- Zunächst muss ich den Honig des stärksten Volkes am Stand auf seine Reife prüfen. Dazu ziehe ich eine Randwabe. Die Reife wird mit der Spritzprobe oder dem Refraktometer überprüft.
- Für die Spritzprobe wird die gezogene Wabe waagerecht gehalten und einmal kräftig nach unten gestoßen. Falls ein Tröpfchen Nektar auf den Rähmchenoberträgern landet, ist der Honig noch nicht reif.
- Ist der Honig erntereif, kann ich die Honigräume abnehmen und die Bienenflucht auflegen. Beim Abnehmen der Honigräume wird maximal ein kleiner Rauchstoß in den unteren Brutraum gegeben. Zu viel Rauch würde die Honigqualität gefährden.
- Über das Absperrgitter und unter die Bienenflucht setze ich vorab einen neuen Honigraum mit leeren Waben; damit schaffe ich Platz für die Bienen, und diese können unmittelbar weiterarbeiten. So müssen sich die Bienen vor allem bei der Ernte während des Entwicklungshöhepunktes im Mai und Juni nicht in nur zwei Bruträume zusammenquetschen. Bei der Spättrachternte genügt es, die Bienenflucht über dem Absperrgitter oder stattdessen zu platzieren.
- Der Zwischenboden mit der Bienenflucht wird auf den neuen leeren Honigraum gesetzt, darüber platziert man die vollen Honigräume. Bei den meisten Konstruktionen zeigt die große Öffnung der Bienenflucht nach oben. Wichtig ist, dass die kleinen Öffnungen der „Bienenschleusen“ nach unten ausgerichtet sind.
- Die Beute verschließe ich nun wieder. Das Einlegen der Bienenflucht geht zügig und verhindert so selbst an größeren Ständen Räuberei.
- 12 bis maximal 24 Stunden später fahre ich den Stand erneut an und nehme die nun bienenleeren Honigräume im Gesamten ab. Nach der Schleuderung nehme ich auch die Fluchten ab, lege das gegebenenfalls entfernte Absperrgitter wieder ein, und setze die honigfeuchten Waben wieder auf. So können die Bienen diese sauberschlecken und erneut befüllen.
Pia Aumeier
Pia im Netz: Unter bienenjournal.de/pias-imkerwelt finden Sie Kurzfilme und viele Tipps für eine erfolgreiche Imkerpraxis und den Start als Jungimker.