So funktioniert das Ökosystem Wiese

14. Juni 2022

Eine Wiese ist mehr als eine Fläche, auf der Gras wächst. Sie kann ein richtiges Ökosystem sein. Dafür müssen allerdings ein paar Voraussetzungen stimmen. So profitieren Insekten vom Ökosystem Wiese.

Englischer Rasen ohne Blüten und störendes Unkraut – das ist quasi ein Albtraum für Insekten. Hier finden sie weder Nahrung noch Unterschlupf zum Nisten. Eine blühende Wiese dagegen kann genau dies bieten. Das Ökosystem Wiese funktioniert allerdings nach ganz eigenen Spielregeln. Und es umfasst viel mehr als nur das, was für uns sichtbar wächst. Am Ökosystem Wiese sind unzählige Tiere, Pilze, Flechten, Bakterien und Mikroorganismen beteiligt.

Ökosystem Wiese braucht Pflege

Und diese Ökosystem funktioniert auch nur, wenn es am Leben gehalten wird – wenn wir als Menschen aktiv etwas dafür tun, dass die Kreisläufe, die es bilden, bestehen bleiben können. „Überlassen wir eine artenreiche Wiese sich selbst, setzen sich mit der Zeit einige wenige Pflanzen durch und unterdrücken die anderen. Am Ende verholzt alles und es gibt statt einer Wiese hauptsächlich Gebüsch“, fasst es Dr. Felix Fornoff von der Universität Freiburg zusammen.

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Fornoff ist Landschaftsölkologe und erforscht sozusagen das Ökosystem Wiese. Dabei stellt er immer wieder fest, wie wenig dazu in der Gesellschaft bekannt ist und dass viele Menschen bei dem Wort „Wiese“ an eine Rasenfläche denken statt an eine vielfältige Blühfläche. „Rasen ist aber quasi ein Subtyp und meist besteht er rein aus Gräsern, die nicht oder kaum blühen“, erklärt er und fügt die Beschreibungen „pflegeleicht, überschaubar und kontrolliert“ an, die diesen Subtyp ausmachen.

Ökosystem Wiese: So entsteht Artenvielfalt

Anders ist es, wenn man sich eine Wiese und eben deren Ökosystem vornimmt. Denn eine Wiese ist quasi in mehreren Ebenen zu betrachten. Schon in einem gesunden Boden unter ihr lebt es aktiv – hier sind Würmer, Käfer und viele kleine Mikroorganismen am Werk. Auf der Wiese selbst kann sich ein niedriger Bewuchs aus kleinen Gräsern und Moosen genauso entwickeln wie hohe Gräser und Blühpflanzen der verschiedensten Sorten, die sich in ihrem Blühzeitpunkt abwechseln. Pflanzen in unterschiedlicher Größe, Form und Art bewirken wiederum, dass sich auch mehr und unterschiedliche Lebewesen ansiedeln. Damit steigt die Artenvielfalt. Umso artenreicher eine Wiese bzw. vor allem der Boden unter ihr wiederum ist, umso mehr Kohlenstoff kann sie auch speichern. Das ergaben Forschungen im Rahmen eines großen Freiland-Experiments nahe Jena.

Wichtige Voraussetzungen dafür sind allerdings: kein übermäßiges Düngen, wenig Beschattung und vor allem, dass die Wiese richtig gemäht wird. Felix Fornoff rät: Mähen ja, aber nur wenig, zum richtigen Zeitpunkt und auch nicht radikal alles auf einmal. Denn Mähen muss sein, damit sicht nicht einige wenige Pflanzen durchsetzen. Das seien vor allem die, die sich unterirdisch über die Wurzeln vermehren und selten, die die Bestäuber zur Vermehrung brauchen. Deshalb verschwinden auch schnell die Pflanzen einer Wiese, die Blüten für Bestäuber bieten.

Um den richtigen Zeitpunkt fürs Mähen zu finden, muss man sich die Pflanzen selbst anschauen. Sie sollte ausgesamt haben, damit auch in der nächsten Saison wieder neue von ihnen wachsen können. Außerdem gilt: „Zwei Mal im Jahr genügt meist völlig“, sagt der Landschaftsölkologe – also im Frühjahr und nach der Blühphase im Sommer.

Lebewesen auf den Gräsern nicht vergessen

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Fornoff rät bei größeren Flächen zeitlich und räumluich versetzt vorzugehen, so dass immer ein Wiesenstück mit Blüten stehen bleibt, wenn ein anderes gerade kurz gemäht ist. „Das ist natürlich aufwendiger, aber es lohnt sich“, sagt er mit Blick auf die Artenvielfalt im Ökosystem Wiese. Aus seiner Sicht werden dabei meist die ganz ganz kleinen vergessen – die Lebewesen, die direkt auf den Halmen und Blätter der Wiesenpflanzen leben. „Es sind Raupen, Spinnen, Käfer und Zikadenlarven, die nicht wegfliegen können wie die Bestäuber. Sie sind auf einzelne Pflanzen spezialisiert“, sagt er und warnt auch deshalb vor einem zu häufigen Mähen. Ihre Vielfalt sei viel größer als bei anderen Insekten und genau diese Vielfalt kann sich nur im gesunden und geschlossenen Kreislauf des Ökosystems Wiese entwickeln. Und ein derartiges Ökosystem kann schon auf ganz kleiner Fläche entstehen. Der Fachmann nennt dabei schon zehn Quadratmeter, die Potenzial für ein Ökosystem Wiese bieten können.

Aber welche Pflanzen machen eine artenreiche Wiese zum funktionierenden Ökosystem? Soll man sie gezielt anpflanzen? Und gibt es dafür Blühmischungen? Dazu sagt Felix Fornoff: „Mit etwas Geduld siedeln sich die zum Standort und der Pflege passenden Pflanzenarten von selbst an. Für ungeduldige gibt es heimische Blühmischungen die dem Standort angepasst die entsprechenden Pflanzenarten enthalten. Die lokalen Bedingungen wie Licht, Boden, Feuchtigkeit und Mahd entscheiden, welche sich davon dauerhaft ansiedeln.“

jtw

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