Wie dicht darf es am Standort zugehen?

26. Juni 2024

Bienenstock an Bienenstock an einem Standort – kann das klappen? Wie viele Bienenvölker an einem Ort sind gut für die Bienen, deren Gesundheit und eine erfolgreiche Imkerei? In diesem Beitrag beschäftigen sich der Biologe Dr. Wolfgang Ritter und die Ingenieurin für Umweltschutz, Ute Schneider-Ritter, mit der Frage des Tierwohls bei großer Bienendichte am Standort: eine Anregung, das eigene Handeln kritisch zu überdenken.

Schon länger gehört der Begriff des Tierwohls mit in die Debatte um eine artgerechte Tierhaltung. Mit hinein spielen die Haltungsbedingungen der Tiere. Bei Honigbienen ist dabei der Standort von besonderer Bedeutung – und die Frage, wie viele Bienenvölker dort jeweils Platz finden sollten.

Erinnern wir uns, wie vor einigen Jahren nicht nur uns, sondern auch die Öffentlichkeit der Film More than honey aufgeschreckt hat. Dort wurde die Imkerei als hochindustrielle Bienenhaltung gezeigt, in der die Honigbiene zur Bestäubungsmaschine und Hochleistungsproduzentin degradiert wird. Die Reaktion von vielen hiesigen Imkerinnen und Imkern lautete damals: „Bei uns ist alles anders.“ Doch ist das wirklich so?

Standort der Bienenvölker: Wie wichtig sind Abstandsregeln?

Unter „guter imkerlicher Praxis“ verstehen auch bei uns viele: große Völker, viel Honig pro Volk und keine unnötigen Verluste durch Schwärme. Das unterscheidet sich nicht wesentlich von den Argumenten anderer Tierhalter. Geht es um Rinder und Schweine, wird hauptsächlich um mehr Liegefläche und Auslauf gefeilscht; jeder zusätzliche Quadratzentimeter bringt dann mehr Punkte und mehr Tierwohl. Und mehr Gesundheit, denn Enge steigert unweigerlich die Übertragung von Krankheiten. Ein Zusammenhang, den wir alle mit der 1,50-Meter-Abstandsregel während der Corona-Pandemie lernen mussten.

Jetzt das Bienen-Journal lesen

DBJ Ausgabe 7/2024

Aktuelle Ausgabe

Doch sind bei den Honigbienen, nur weil sie fliegen können, Auslauffläche oder Abstandsregel wirklich kein Thema? Sicher nicht für den Abflug, aber zweifellos für die Rückkehr, wenn der Eingang zum eigenen Nest gefunden werden muss. In der freien Wildbahn ist das alles kein Problem. Wie man in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen hat, wählen Schwärme eine Distanz von etwa einem Kilometer zum alten Nest.

Bei großen Abständen zwischen den Nesteingängen reicht es den Bienen, sich beim Heimflug am Muster des polarisierten Lichts am Himmel, einigen Landmarken und ganz in der Nähe am Stockgeruch orientieren zu können. Anders ist das bei der in einer Imkerei üblichen engen Aufstellung in der Reihe oder übereinander, wie man es manchmal noch im Bienenhaus findet. Bei starkem Flugverkehr die richtige Landestelle anzufliegen bereitet dann Probleme. Da helfen auch von den Imkern angebrachte Markierungen nicht wirklich. Das gilt vor allem, wenn man die Eingänge statt mit unterschiedlichen Formen wie Kreis und Kreuz mit Farben kennzeichnet.

Bienenkrankheiten: Diese Rolle spielt der Standort

Wie schnell sich eine Krankheit bei großer Völkerdichte ausbreitet, merkt man besonders bei der Varroa-Virus-Infektion, wenn die Völker im Dominoeffekt zusammenbrechen. Hier haben die Bienen durch die übertragenen Viren ihre Orientierung verloren. Aber auch beim Ausbruch der Amerikanischen Faulbrut liegen die Seuchen-Hotspots oft in Gebieten mit hoher Völkerdichte. In kleineren und mittelgroßen Imkereien kann man das Übertragungsrisiko vermindern, indem man die Völker einzeln oder in kleinen Gruppen aufstellt.

In größeren Betrieben haben sich Völker auf Paletten mit – wenn möglich – nach unterschiedlichen Seiten ausgerichteten Fluglöchern bewährt. Das erleichtert nicht nur das Auf- und Abladen, sondern auch die Bearbeitung. Aber auch in der Reihe kann man die Völker viel stressfreier bearbeiten, wenn sie locker aufgestellt sind. Darüber hinaus sollten möglichst nur 20, aber auf jeden Fall nicht mehr als 40 Völker auf einem Stand stehen, wenn sich der nächste schon einige Hundert Meter entfernt befindet.

Standort: In der Waldtracht wird es eng

Doch die Realität sieht meist anders aus, vor allem wenn der Wald honigt. Ein Bienenstand im Schwarzwald mit 150 Völkern in Reih und Glied erinnert sehr an Legebatterien von Hühnern oder enge Schweinebuchten. Ist so etwas noch mit dem Tierwohl zu vereinbaren? „Wenn es honigt, ist genug für alle da“, hört man häufig als Argument. Das ist sicher richtig, was die Menge an Honigtau betrifft. Doch es ist falsch, wenn es um die Gesundheit der Tiere geht. Bei einem solchem Massenandrang und schwer beladen finden Bienen oft das heimische Nest nicht.

Wer etwas bringt, den lässt man herein, egal ob gesund oder krank. Besonders kritisch wird es jedoch, wenn die Tracht vorbei ist. Dann stürzen sich die Bienen auf alles, was nach Nest riecht oder nach Honig schmeckt. Die Stockgenossinnen sind schnell alarmiert, doch sie bekommen im Rundtanz nur die diffuse Mitteilung, dass es in der Nähe etwas zu fressen gibt. Da heißt es im Umkreis von 100 Metern suchen und manchmal auch forsch nachhelfen, was besonders schwachen oder kranken Völkern zum Verhängnis wird. Doch auch die Räuber leiden unter den von ihnen selbst eingeschleppten Krankheiten.

Während Blütentrachten eher langsam abebben, reicht bei der Waldtracht ein starker Regen oder eine kalte Nacht oft aus, und alles ist vorbei. Auf so eine Situation können Imkereien in der Nähe schnell reagieren. Bei großen und weiter entfernten Betrieben dauert das Heimholen länger, denn der Transport muss erst organisiert werden. Bei Massenansammlungen leiden am Ende alle Bienen im Gebiet, manchmal auch die Bevölkerung in der Nähe. Hier ist nicht nur das Tierwohl, sondern auch die soziale Verantwortung gefragt.

Honig mit Bio-Zertifikat: Welche Rolle spielt der Standort der Bienenvölker?

Bei Rindern und Schweinen werden die Anforderungen für das Tierwohl mit einer Biohaltung in der Regel erfüllt. Doch gilt das auch für Honigbienen? Eine Bioimkerei unterscheidet sich von einer konventionellen im Wesentlichen in der Dokumentationspflicht, der Wahl der Behandlungs- und Futtermittel sowie im Beutenmaterial. Schon bei der Ortswahl, erst recht bei der Völkerzahl pro Standort, wird es selbst in den Richtlinien der Verbände schwammig. In einigen Gebieten in Südwestdeutschland haben erst massive Proteste der ortsansässigen Imker einen Bioimker dazu gebracht, nicht mehr mit mehreren Hundert, sondern mit kleineren und in der Region verteilten Einheiten aufzuwandern.

Rückendeckung für solches Verhalten kommt leider auch von manchen Verbänden. So hört man hier als letztes Argument häufig: „Auch unsere Imkerfamilien wollen leben.“ Da ist sicher etwas Wahres dran. Allerdings nutzen mit gleichem Recht auch die Geflügelzüchter mit Legebatterien und andere Massentierhalter dieses Argument; schließlich geht es um das Geschäft und manchmal auch ums Überleben.

Ohne Frage ist die Tierdichte auch für das Tierwohl der Honigbienen ein wichtiger Faktor. Sicher kann eine große Imkerei dies schwerer erfüllen als eine kleine. Trotzdem gibt es im Hinblick auf Ethik und Tierwohl Grenzen, die nicht überschritten werden sollten und dürfen. Zum Glück hat man in den Verbänden, egal ob „bio“ oder „konventionell“, begonnen, diese Fragen zu diskutieren.

Der Ausgang ist allerdings offen, denn zu viele gegensätzliche Interessen treffen hier aufeinander, und auch der für den Honig erzielte Preis ist dem Mehraufwand nicht immer angemessen. Doch wir sollten uns dieser Aufgabe stellen, bevor der Verbraucher die Diskussion übernimmt, wie etwa in der Fleischindustrie. Der Kauf von Honig ist wie der von Fleisch und anderen Lebensmitteln Vertrauenssache. Auch hier wird der Verbraucher die Nähe zum Produzenten suchen, um zu wissen, wie man mit den Tieren umgeht und das Lebensmittel produziert.

Kritische Verbraucher sind wichtig

Den kritischen Verbraucher wird man nur schwer mit Geschichten der „Biene Maja“ und dem ohne Biene drohenden Untergang der Menschheit ablenken können. Wer nun meint, als kleine Imkerei außen vor zu sein, der irrt. Zwar stellen Massenansammlungen hier weniger das Problem dar, dafür sind auch hier zu große Enge und manch andere liebgewonnenen Methoden mit dem Tierwohl nicht vereinbar.

In einem sind wir uns hoffentlich alle einig: Unseren Bienen soll es gut gehen, und sie sollen sich wohlfühlen. Auch wenn man an der Qualität des Honigs selten Unterschiede bemerkt, schmeckt es von Tieren, die sich wohl fühlen, einfach besser. Oder?

Dr. Wolfgang Ritter und Ute Schneider-Ritter

Abonnieren Sie unseren Newsletter!

Mit unserem Newsletter sind Sie immer auf dem aktuellen Stand.

Gratis Checkliste

In unserer Checkliste zum Herunterladen erfahren Sie, was aktuell zu beachten und tun ist, übersichtlich und strukturiert gefüllt mit Fachinformationen und -hintergründe.

Fachinformationen

Mit dem Bienen-Journal bleiben Sie immer auf dem neusten Stand. Auch Imker mit langjähriger Berufserfahrung kommen auf Ihre Kosten.

Grundlagen

Wichtig für uns ist es, neben den Fachinformationen, Grundlagen zu vermitteln, die für die Imkerei von essenzieller Bedeutung sind.

Abonnieren →