Sarah Wiener, bekannt als deutsch-österreichische Fernsehköchin, sitzt für die Grünen im EU-Parlament. Dem dbj beantwortete sie im Interview Fragen zu ihren Bienen, zum Umgang mit der Natur und natürlich zur Rolle des Honigs in ihrer Küche. Außerdem erfahren Sie, wie Sarah Wiener imkert.
Die bekannte Fernsehköchin, Autorin, Biolandwirtin und Imkerin Sarah Wiener ist in Halle, Westfalen geboren und mit ihren Geschwistern bei ihrer Mutter, der bildenden Künstlerin Lore Heuermann, in Wien aufgewachsen. Kochen gelernt hat sie ab dem Ende der 1970er-Jahren im Künstlerrestaurant Exil ihres Vaters, des Schriftstellers Oswald Wiener, in Berlin.
Luftige Beuten und gute Küche
Nach der Eröffnung ihres ersten Restaurants 1999 in Berlin-Mitte folgten weitere in Berlin. 2004 wurde die Sarah Wiener GmbH mit Sitz in Berlin gegründet, die neben den Restaurants, einem Event-Catering-Service und der Holzofenbäckerei Wiener Brot den Bauernhof Gut Kerkow betreibt. Seit 2006 ist Wiener Schirmherrin des Tierzuchtfonds für artgemäße Tierzucht unter dem Motto „Guter Geschmack beginnt bei der Zucht!“. 2007 wurde die Sarah-Wiener-Stiftung gegründet. Sie trägt den Slogan „Für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen“. Im Jahr 2015 kaufte Wiener zusammen mit Freunden einen Biohof in Brandenburg. Er liegt im Dorf Kerkow bei Angermünde. Auf diesem Gut und in der näheren Umgebung stehen auch die Bienenvölker von Sarah Wiener.
Ihre Leidenschaft für die Bienen begann nach einem Besuch bei Norbert Poeplau. Der Imkermeister betreut die Bienen im badenwürttembergischen Rosenfeld an der Fischermühle, einer Lehr- und Versuchsanstalt, an die eine Demeterimkerei angebunden ist. Die Fischermühle gehört zu Mellifera e. V., einer Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung. Ein Besuch im Rahmen der Fernsehserie „Sarah Wieners erste Wahl“ nahm ihr zunächst die alte Kindheitsangst vor den summenden Insekten und führte sie schließlich Jahre später zu einem Seminar über wesensgemäße Bienenhaltung in derselben Imkerei.
Auch ihre ersten Bienenvölker erhielt Wiener von ihrem Imkervater Poeplau. Sie startete ihre Imkerei mit insgesamt vier Jung- und drei Wirtschaftsvölkern. Die Entscheidung über die Standorte ihrer Völker traf Wiener zusammen mit ihrem Imkervater. Gemäß ihrer Vorstellung einer wesensgemäßen Bienenhaltung stehen ihre Einraumbeuten teilweise auf bis zu drei Meter hohen Hochständen. Ihre Völker überwintern auf ihrem eigenen Honig und dürfen schwärmen, wie es ihnen in den Sinn kommt. Es werden also weder Schwarmzellen gebrochen, noch wird Drohnenbrut entnommen. Die Standorte der einzelnen Völker liegen möglichst weit auseinander auf dem Landgut und sind so gewählt, dass die Bienen in nächster Umgebung zu Feldern und Streuobstwiesen stehen.
Abgesehen von ihrem eigenen Honig nutzt die 57-Jährige in der Küche nur Honige mit dem Demeterzertifikat, alternativ Honige mit dem Biolandsiegel, oder sie bezieht den Honig direkt von einem Imker ihres Vertrauens.
2019 kandidierte Wiener bei der Europawahl als Parteilose für die österreichischen Grünen und wurde ins Europäische Parlament gewählt. Im Wahlkampf sagte Wiener, sie werde sich als Abgeordnete für nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Ernährung und Biodiversität einsetzen.
Im Gespräch mit Sarah Wiener
Warum manche Honige wertvoller sind als andere, erklärt Sarah Wiener im Interview. Lesen Sie hier, welche Ziele die passionierte Imkerin in der Europapolitik verfolgt.
Essen die Menschen bei uns zu wenig Honig zum Frühstück?
Ich bin eine Freundin von natürlicher Ernährung. Speisen, die man in seiner eigenen Küche erzeugen kann, sind die Grundlage unseres Seins. Ob die Leute zu wenig Honig essen? Also ich glaube nicht, dass gerade Honig noch mehr zum Massenprodukt werden sollte. Honig ist ein großes Geschäft, bei dem es viel Panscherei und Betrug gibt, zum anderen ist Honig ein kostbarer Stoff.
Wäre es also nicht so gut, wenn man Honig als Superfood ansähe?
Das mit den Superfoods ist schwierig. Tatsächlich halte ich alle Bienenprodukte für Wundermittel und für sogenannte Superfoods, aber dieser Begriff wird so inflationär gebraucht. Viele Menschen wissen gar nicht, was darunter wirklich zu verstehen ist. Mir würde es besser gefallen, wenn man die Heilwirkungen des Honigs und die Fähigkeiten von Bienenprodukten erklären würde, damit die Menschen inhaltlich Bescheid wissen. Das ist besser als der Gebrauch von Schlagworten wie „Superfood“.
Meinen
Sie, Honig wird genug wertgeschätzt? Was wäre ein angemessener
Preis für ein Glas?
Der
Preis ist so eine Sache. Ich zahle gerne das Doppelte oder Dreifache,
wenn ich weiß, warum. Viele Menschen sagen sich: Honig ist doch
Honig. Jemand, der einen Billighonig in einer Plastikflasche kauft,
der aus EU-und Nicht-EU-Ländern stammt, wird wohl denken, Hauptsache
süß soll es sein. Dabei gibt es große Unterschiede! Genauso wie
zwischen einem guten Plantagenkaffee aus einer kleinen Rösterei und
einem Industriekaffee: Wenn Sie das jemals gekostet haben, dann gehen
Ihnen die Augen auf. Beim Honig ist das ähnlich. Es gibt so viele
Sorten, die alle unterschiedlich schmecken – selbst
unterschiedliche Jahrgänge an Sommer- und Frühlingsblütenhonig vom
selben Imker. Ich finde es schade, dass der Geschmack so nivelliert
wird, indem tonnenweise Honig von Imkern zusammengerührt und
abgepackt wird. Von der Panscherei und der Manipulation ganz zu
schweigen. Wenn der Imker seine Bienen wesensgemäß hält, den Honig
mit Sorgfalt und Liebe schleudert und seinen Betrieb transparent
führt, dann zahle ich gerne mehr.
Die Preise für Honig sollten also an die Erzeugungsbedingungen geknüpft werden?
Das würde ich für eine gute Sache halten. Für jemanden, der den Imker nicht selber kennt, ist das oft gar nicht nachzuvollziehen, wie der Honig entstanden ist. Deswegen ist es auch schwierig, einen gerechten Preis zu fordern. Nehmen Sie mein Beispiel: Ich bin eine „Extremimkerin“, die ihre Bienen in Einzelaufstellung hält, auf Naturwabenbau, ihnen zum Teil drei Meter hohe Hochstände gebaut hat und sie auf dem eigenen Honig überwintern lässt. Da ist es klar, dass ich meine paar Kilogramm nicht für fünf Euro pro Glas verschleudere. Ich kann mir das allerdings leisten, so zu imkern und den Honig nicht zu verkaufen, weil ich eine Hobbyimkerin bin. Man kann das nicht von jedem Berufsimker erwarten. Solcher Honig würde dann, wie der Wildhonig aus Russland, an die hundert Euro das Kilogramm kosten. Es gäbe sicher auch einen Markt für besonders sorgsam hergestellten und teuren Honig aus ökologisch intakten Regionen und wesensgemäßer Bienenhaltung. Aber das ist ganz klar ein Nischenprodukt.
Wie Sarah Wiener imkert und was sie mit dem Honig macht
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Kochen
Sie eigentlich viel mit Honig?
Nein,
ich koche ihn eher nicht. Ich warte ab, bis zum Beispiel Cremes oder
Breie abgekühlt sind, und gebe dann Honig hinzu. Die Ausnahme ist
ausgebackenes Obst, wie Bananen in einer Honig-Karamell-Creme. Dann
erhitze ich auch den Honig. Bei Gewürz- oder Honigbrot gebe ich
Honig in den Teig und backe diesen. Man sollte wissen, dass man damit
sehr viele Enzyme und sehr viele gute Inhaltsstoffe zerstört, aber
man muss auch nicht christlicher als der Papst sein.
Lassen
Sie uns auf Ihre Bienen zu sprechen kommen: Wie viele Völker haben
Sie derzeit, und welches System nutzen Sie?
Ich
habe immer zwischen drei und sieben Völkern. Gerade sind es fünf.
Derzeit imkere ich in Einraumbeuten. Das ist nicht ganz einfach. Man
muss ganz schön viel schleppen, die Treppen der Hochstände rauf und
runter. Vielleicht finde ich ein kleineres System, das trotzdem
wesensgemäß ist, um mich ein bisschen zu entlasten. Ich habe von
japanischen Beuten gehört, in die man dann nur ein paar Stöckchen
hineinhängt. Ich halte meine Bienen ja nicht wegen des
effizientesten Honigertrages. Aber ich kratze jedes bisschen Propolis
herunter und mache meine eigene Propolisessenz. Außerdem hebe ich
das Wachs auf, das ich mit dem Sonnenwachsschmelzer gewinne, und
natürlich möchte ich auch ein paar Kilogramm Honig ernten. So ganz
selbstlos bin ich dann auch nicht.
„Uns – als Teil der Natur – würde ein bisschen Demut gut anstehen.“
Wie
viel Honig ernten Sie aus Ihren Völkern?
Das
ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, wie oft ich meine Völker
besuche und wann ich ihnen zwei bis drei Honigwaben entnehme. Ich
könnte mehr ernten, aber de facto sind es wohl zwischen zehn und
dreißig Kilogramm, maximal fünfzig in manchen Jahren. Das ist
vielleicht ein Witz für andere, aber fünfzig Kilogramm Honig muss
man auch erst einmal verputzen. Daher habe ich auch noch Honig vom
vorletzten Jahr und verschenke einige Gläser an Freunde.
Sie
sind ja in vielen Bereichen unternehmerisch tätig: als Köchin,
Biobäuerin, Imkerin und nun auch noch Abgeordnete im Europäischen
Parlament. Wer kümmert sich um Ihre Bienen, wenn Sie in Brüssel
unterwegs sind?
Niemand,
die Bienen sind meine Aufgabe. Es kann passieren, dass ich zum
Beispiel keine Schwärme einfangen kann oder mir gut überlegen muss,
wann ich eine Varroabehandlung mache. Ich habe ja noch so manche
Wochenenden. Im August sind Ferien, also werde ich jetzt aufräumen
und mich wieder mehr den Bienen widmen als im September oder Oktober.
Aber ich öffne die Beuten ohnehin möglichst selten. Wenn man sich
vorstellt, dass der Bienenorganismus ein paar Tage braucht, um das
Mikroklima wiederherzustellen, nachdem man ihm das Dach vom Haus
gerissen hat, wird man achtsamer. Ich respektiere die Eigenregie
meiner Bienen. Nur im Notfall öffne ich die Beuten bereits ein oder
zwei Tage nach einer Kontrolle wieder.
Wie kam es eigentlich zur Kandidatur für das Europäische Parlament?
Ich bin von den österreichischen Grünen gefragt worden, ob ich mir das vorstellen kann. Da gab es einige Punkte, die mich beschäftigt haben, wie der radikale Rechtsruck und die Landwirtschaftspolitik, die ich nicht gut finde – dagegen engagiere ich mich ja schon sehr viele Jahre. Außerdem beobachte ich einen Ernährungstrend in Richtung immer mehr Künstlichkeit und toter Nahrung und weniger lebendigen Lebensmitteln. Also dachte ich mir: Ja, das mache ich! Ich mache mal etwas für mein Karma. (Lacht.)
Wie
werden Sie Ihre Expertise als Biobäuerin und Imkerin in die
Europapolitik einbringen?
Als
Imkerin habe ich einen ganz besonderen, liebevollen Blick, nicht nur
auf die Honigbienen, sondern auch auf Wildbienen und andere Insekten.
Gerade sind die Bienen-Leitlinien ein Thema. Natürlich werde ich
mich besonders dafür engagieren, dass Insektizide weder auf unseren
Feldern und Wiesen noch in unseren Wäldern etwas verloren haben.
Ausnahmen mögen eventuell notwendig sein, aber wir können doch
nicht jedes Jahr Tonnen von Pestiziden in die Natur versprühen und
meinen, dass diese hochgiftigen Mittel keine Auswirkung haben. Die
Imker wissen mehr darüber als die Bauern. Unlängst hat ein Bauer
von meinem Hof erzählt, dass er mit einem Kollegen gesprochen hat.
Während der neben seinem Trecker stand, kam eine Wespe angeflogen.
Daraufhin hat der Kollege gesagt: „Ja schau, wie lieb, eine Biene.“
Das zeigt eben, dass manchmal auch Landwirte weit weg sind von
natürlichen Vorgängen und von den Insekten, auch wenn sie diese
gerne als Bestäubungshilfe sehen.
Wie
sollte die Landwirtschaft aus Ihrer Sicht stattdessen aussehen?
Für
viele Probleme gibt es natürliche Mittel. Insekten haben
Gegenspieler, man kann auch mit abwechslungsreicheren Fruchtfolgen,
kleineren Schlägen und Blühstreifen viel erreichen. Uns – als
Teil der Natur – würde ein bisschen Demut gut anstehen,
anzuerkennen, dass die Natur mächtiger ist als wir. Deswegen
schädigen wir uns am Ende selbst mehr als alle anderen. Ich denke
die Lösung heißt: Unsere Natur mehr zu respektieren. Nicht gegen
sie zu kämpfen, sondern mit ihr im Einklang zu arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Franziska Weber.
Info: Biologische Landwirtschaft auf Gut Kerkow in der Uckermark
Eine Stunde von Berlin entfernt in der Uckermark, genauer gesagt im Biosphärenreservat Schorfheide Chorin liegt der Biobauernhof von Sarah Wiener. Geschäftsführer des Hofes ist Jochen Beutgen, einer der Partner, mit dem Sarah Wiener 2015 den Hof erstanden hat. Auf rund 800 Hektar Land werden neben Getreide und Futterpflanzen auch Marktfrüchte für den Hofladen angebaut. Der Schwerpunkt liegt aber auf der Produktion und dem Verkauf von Fleischerzeugnissen in Bioqualität. Neben Schweinen werden daher etwa 100 Aberdeen-Angusrinder auf dem Hof gehalten. Der Hofladen hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Samstags können Sie die auf Wieners Hof Gut Kerkow erzeugten Würstchen auch auf dem Markt der Domäne Dahlem (Berlin) kaufen. Wieners Bienenstände stehen nicht alle an Feldern und Streuobstwiesen des Guts. Auch bei Bekannten in benachbarten Dörfern und in ihrem eigenen Garten am Gutshof Kerkow hat Wiener je ein Volk untergebracht.
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