Königinnenzucht – nur was für Spezialisten?

13. Juni 2024

Die Königinnenzucht gilt als besondere Disziplin der Imkerei. Käme sie auch für mich infrage? Und eignen sich meine Bienen überhaupt dafür? Pia Aumeier berichtet von ihren Erfahrungen und erklärt, wie man Königinnenzucht am eigenen Bienenstand auf einfache Weise betreiben kann.

„Einzig reingezüchtete Linien, gekört, leistungsgeprüft, zuchtwertgeschätzt, möglichst künstlich besamt, mindestens aber belegstellenbegattet, taugen für eine gute Imkerei“, so lautete meine Überzeugung vor über 25 Jahren. An zwei Landesanstalten vermaß ich an Tausenden Bienen deren Cubitalindex, Haarlänge, Filzbindenbreite und Abdominalfärbung und half bei der Vorbereitung und Belegung von Anbrüter, Starter, Finisher, Begattungskästchen und Vatervölkern.

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Andere propagierten das Gegenteil: Nur die natürliche Auswahl mit unbeeinflusstem Schwärmen und Sterben, ganz ohne menschlichen Eingriff, könne die genetische Vielfalt und Vitalität von Bienen erhalten.

Doch europäische Honigbienen sich selbst zu überlassen widerspricht dem Tierschutz- und dem Bienengesundheitsgesetz und ist für mich indiskutabel. Andererseits sind die oft enthusiastischen Versprechen zu „gezüchteten“ Bienen auch nicht generell wahr.

Königinnenzucht: Reinzucht vs. Standbegattung

In einer dreijährigen Studie zum Thema „Anfälligkeit für Pathogene verschiedener reingezüchteter Linien aus deutschsprachigen Bieneninstituten“ protokollierten wir Erstaunliches. Die Wald-und-Wiesen-Mischung des Instituts-Imkermeisters konnte hinsichtlich Volksentwicklung und Honigertrag nicht nur locker mit den Reinzuchtlinien mithalten, sondern erwies sich auch als die sanftmütigste Vergleichsgruppe. Die Erfolge in der Standbegattung an vielen Orten Deutschlands schreiben manche dem Einfluss der „leistungsgeprüften“ Königinnen zu.

Eindeutig gegen dieses Argument sprechen allerdings die geringe Sicherheit von Belegstellen vor äußeren Einflüssen, die mangelhafte Qualität mancher „Linien“ und die insgesamt sehr geringe Anzahl tatsächlich sicher reingezüchteter Königinnen – sowie der Blick in unselektierte Populationen: Während meiner Forschungsaufenthalte in Brasilien und Südafrika erwiesen sich wilde Völker – sogenannte Killerbienen – zwar im Mittel als aggressiver, jedoch fand ich die gleiche Variabilität in Sachen Sanftmut wie in deutschen Bienenvölkern. Ich hätte sofort mit der moderaten Positivauswahl beginnen können, wie ich sie auch bei meinen Völkern in Deutschland treffe.

Königinnenzucht: Positivauswahl am eigenen Bienenstand

Ich konzentriere mich auf wenige Merkmale, so habe ich auch schnell Erfolg. Imkerlich den wenigsten Aufwand machen Völker, die nicht stechen, nicht schwärmen wollen und trotzdem Honig bringen. Relevante Unterschiede zwischen den Völkern zeigen sich nur unter geeigneten Bedingungen. Bei Volltracht sticht sowieso keine Biene, und ein hoher Varroabefall beugt dem Schwärmen vor.

Voraussetzung für jeden aussagekräftigen Vergleich ist daher eine kompetente Völkerführung mit früher Erweiterung, Wabenerneuerung, effektiver Varroabekämpfung und der Einwinterung ausschließlich starker, gesunder und gut versorgter Völker. Nur solche können sich im nächsten Jahr voll entfalten, schwärmen, stechen, Honig machen – und dann auch Unterschiede zeigen.

Die Boshaften raus: Tipps zur Königinnenzucht

Befindet sich an meinem Bienenstand auch nur ein einziges geeignetes Volk, so ziehe ich bedenkenlos Königinnen von ihm nach. Die Königin eines Volkes bestimmt zu 50 Prozent dessen Eigenschaften, ihre vielen männlichen Partner steuern in der Regel nicht mehr als jeweils zehn Prozent bei.

Auf die Drohnen nehme ich daher keinen Einfluss, seit 26 Jahren kenne ich nur Standbegattung. Die freie Paarung mit vielen fremden Jungs von weit her beugt Inzuchtproblemen wirkungsvoll vor. Nur wenige Stände erwiesen sich als nicht geeignet – dort stehen Killerbienen-Imker. Auch halte ich keine Drohnenvölker, sie sind nur Varroa-Fabriken.

Gesunde Paarungspartner gibt es überall genug. Im Verfahren „Völkervermehrung in vier Schritten“ lassen sich die Königinnen besonders bequem im Standmaß begatten und anschließend als Jungvölker weiterführen (siehe Hinweis auf unseren Video-Praxiskurs im blauen Kasten). In meinem Bestand erweist sich etwa eines von 40 Jungvölkern bis zum Winter als boshaft. Solche Königinnen töte ich im Oktober.

Auswahl nachzuchtwürdiger Völker: Königinnenzucht bei Pia Aumeier

Für mich sind vor allem die Faktoren „Sanftmütigkeit“ und „Schwarmträgheit“ relevant, denn 80 Kilogramm Honig aus zwei braven Heimattreuen kosten weniger Kraft und Zeit als ein reiselustiger Stechteufel, der die gleiche Menge Honig abwirft. Zudem ist der Honigertrag selbst in guten Völkern hochvariabel, er wird in erster Linie vom Standort bestimmt.

Königinnenzucht: So wähle ich die Völker aus

Sanftmut?

„Im ganzen Jahr kein einziger Stich“, das ist die Grundvoraussetzung für jedes auserwählte Volk, denn meine Bienen sollen nachbarschaftskompatibel sowie leicht und zügig zu bearbeiten sein. Wer sich nach einem Rauchstoß hurtig in die Gassen zurückzieht, auch in trachtarmen Phasen oder bei Gewitter nicht über mich im schwarzen Wollpulli, umnebelt von Deo und Alkoholfahne, herfällt, ist ein geeigneter Kandidat.

Besonders das Verhalten bei der Spätsommerpflege protokolliere ich genau: Fliegen Bienen übellaunig auf, wenn ich die alten Flugbienen aus der unteren Zarge abschlage, um Wabenhygiene zu betreiben? Schleier oder Handschuhe sind mir fremd, so erlange ich unverhüllte Einsichten.

Schwarmunlust?

„Kein einziges Mal in Schwarmlust trotz zufriedenstellenden Honigertrags“, das ist mein zweites Kriterium. Um Schwarmlust nicht durch Enge zu provozieren, werden alle einräumig überwinterten Völker unabhängig von ihrer Stärke gleichzeitig zur Salweidenblüte mit dem zweiten Raum erweitert; ebenso erhalten alle Völker zum Beginn der Kirschblüte den Drohnenrahmen im oberen Brutraum, Absperrgitter und Honigraum. Geschröpft werden aus den starken Völkern bis zu zwölf Drohnenrahmen sowie schwarmvorbeugend im April und Mai teils mehrfach je eine Brutwabe mit ansitzenden Bienen.

Ab Mitte April beginne ich zudem mit den wöchentlichen Schwarmkontrollen durch Kippen und, wenn nötig, Zellenbrechen. Gewonnen hat ein Volk, das mit diesen Maßnahmen in guter Tracht trotz Gefahr des verhonigenden Brutnestes nicht in Schwarmlust gerät. Wer sticht oder schwärmen will, erhält ein dickes Kreuz auf dem Notizblatt und scheidet damit sofort aus.

Tipp: Nicht „Zucht“, sondern „moderate Positivauswahl mit Königinnenaufzucht“ – das ist meiner Ansicht nach die korrekte Begrifflichkeit bei Honigbienen. Damit sind sanfte, starke und
gesunde Bienen auch für den „Nicht-Züchter“ kein Hexenwerk.

Pia Aumeier

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