Die Hinterbehandlungsbeute wird im Westen kaum noch eingesetzt. In Ostdeutschland findet sie sich aber noch in vielen Bienenhäusern und Wanderwagen wieder.
Der Anblick eines Wanderwagens lässt die Herzen der meisten Imker höherschlagen. Vor allem Bienenwagen, die nach vielen Jahren wieder auf Vordermann gebracht wurden, sind etwas fürs Auge: Sie beschwören das Bild von reisenden Bienen und einer idyllischen Landschaft herauf. Beobachtet man in einem Wanderwagen die Bienen, die hinter den Scheiben der traditionellen Hinterbehandlungsbeuten herumkrabbeln, sind selbst diejenigen Imker fasziniert, bei denen diese Betriebsweise sonst keine große Begeisterung hervorruft.
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Einer der Wanderwagen, die im Frühjahr in den ausgedehnten Rapsfeldern Mecklenburg-Vorpommerns stehen, gehört Norbert Kempke. Den sieben Meter langen, umgebauten Bauwagen musste der Güstrower vor drei Jahren grundlegend renovieren. Bereits sein Vater hatte darin geimkert, doch schließlich machte sich der Zahn der Zeit bemerkbar: Es regnete an einer Stelle durchs Dach und der Holzfußboden war nicht mehr tragfähig.
Im Zuge der Renovierung erhielt der Wagen auch seinen kräftigen roten Anstrich. Im Dach blieben die großen Fenster erhalten, da Kempke viel Wert auf Licht legt. „In manchen Wanderwagen ist es so duster – da ist es schwer, eine Königin zu finden“, sagt er. Zudem gelangen abgeflogene Bienen durch die angekippten Fenster leicht wieder ins Freie. Allerdings muss er im Sommer bei seinen Besuchen in das Fenster, unter dem er arbeitet, eine Platte als Sonnenschutz einlegen.
Hinterbehandlungsbeute: Nicht zeitgemäß, aber vorteilhaft
Auch wenn Bienenwagen und Hinterbehandlungsbeuten als nicht mehr zeitgemäß gelten, weiß Kempke ihre Vorteile dennoch zu schätzen: „Im Wagen kann ich auch bei Windstärke 8, Platzregen und Räuberei arbeiten. Wenn ich an warmen Tagen die Tür offen lasse, hänge ich einfach eine Gaze vor den Eingang. Dann kommt keine neugierige Biene herein. Außerdem muss man keine Honigräume hin- und herschaffen. Die werden gleich vor Ort im Bienenwagen geschleudert.“
Die Honigwaben kann Kempke in einer Kiste direkt in den Schleuderraum rollen, der hinter einer Tür am Ende des Wagens liegt. Mit der dort stehenden Zehn-Waben-Schleuder schafft er die Ernte an einem Tag, inklusive Rückgabe der Honigwaben. „Ich mache keine Arbeiten mit Honig und Wachs zu Hause. Der Honig verlässt den Wagen nur fertig im Eimer und das Wachs als sauberer Block.“
Um den Wagen zu seinem Stellplatz zu bringen, muss dieser von einem Traktor gezogen werden. In der Regel erledigt das der Landwirt für Kempke, da dieser kein fremdes landwirtschaftliches Gerät auf seinem Boden möchte. Für den Straßenverkehr hat Kempke den Wagen vom TÜV abnehmen lassen. Er hatte schon erlebt, dass ein besetzter Bienenwagen von der Polizei stillgelegt wurde, sodass dieser nicht weggeschleppt werden konnte.
„Das Risiko ist mir zu groß“, sagt Kempke und erzählt, wie er für die Abnahme mit dem Wagen nach Rostock fahren sollte – mitten im Winter. Die Prüfer kamen auf seine Bitte hin dann aber zu ihm nach Güstrow, um den Wagen zu inspizieren.
Die Hinterbehandlung: So funktioniert’s
Im Bienenwagen hört man das beständige Summen der Völker. Bis zu 40 Stück sowie einige Ableger haben dort Platz. Im Schnitt besetzt Kempke jedoch nur die Hälfte der Beuten, die auf beiden Seiten in zwei Reihen übereinander einen Teil der Wagenwände bilden. Um auch bequem an den unteren Beuten arbeiten zu können, lässt sich der Boden entfernen, auf dem man normalerweise steht, wenn man durch die Tür tritt. Darunter befindet sich noch der begehbare Tiefgang.
Die Normbeuten, „die in der DDR damals jeder hatte“, bestehen nur aus zwei Räumen, wobei jeder Raum bis zu 14 Waben im Deutsch Normalmaß fasst. Um an den Honigraum zu gelangen, kann man die hintere Abdeckung wie eine Schranktür aufklappen. Die Abdeckung für den Brutraum lässt sich hingegen nach unten klappen, wodurch diese zugleich als Abstellfläche dient. Aufgrund der relativ geringen Beutengröße werden Völker in Hinterbehandlungsbeuten leichter schwarmlustig.
„Da muss man ein wenig aufpassen“, räumt Kempke ein. „Elf bis zwölf Brutwaben sind schon das Limit. Sonst wird es eng in der Beute, wenn die Brut komplett schlüpft. Dennoch ist mir in 20 Jahren noch kein einziger Schwarm abgegangen, da ich die Völker alle sieben Tage kontrolliere und gegebenenfalls Ableger bilde.“
Durchsicht in der Hinterbehandlungsbeute
Bei der Hinterbehandlung bedeutet eine Durchsicht normalerweise, dass man die Waben mithilfe einer Wabenzange einzeln aus der Tiefe der Beute herausziehen muss. „Da bricht mancher Imker schon einmal vorzeitig ab“, sagt Kempke. „Das kann bei der Untersuchung der Völker auf Schwarmstimmung problematisch sein.“
Der Güstrower hat jedoch Schienen an den Innenseiten seiner Beuten, auf denen sowohl das Sichtfenster als auch alle Rähmchen aufliegen. So kann er den gesamten Wabenblock in einer geschmeidigen Bewegung in eine vorgehängte Kiste ziehen. Wie bei einer Magazinbeute hat Kempke dann alle Wabengassen im Blick und kann die Waben nach oben entnehmen.
Die Idee mit den Schienen war bereits zu Zeiten von Kempkes Vater im Landkreis verbreitet. Manche Imker sagen zwar, dass die Schienen nicht funktionieren würden, weil die Bienen sie verbauen, aber Kempke hat da andere Erfahrung gemacht: „Das ist nur eine Frage der Wartung. Im Winter säubere ich alle Schienen, und im Frühjahr kratze ich an einem Termin alle Fugen frei und wechsle die Schienen aus. Die funktionieren dann in der Regel den gesamten Sommer über.“ Damit die Schienen gut laufen, schmiert er die inneren Auflageflächen zudem hauchdünn mit lebensmittelechter Vaseline ein.
Eine andere Variante, mit der die Waben einfacher aus den Beuten herausgeholt werden können, sind Schlitten. Diese schränken allerdings die Wabenzahl ein. Aus diesem Grund verwendet Kempke sie nicht in seinen Wirtschaftsvölkern, sondern nur bei den Ablegern. Dort schiebt er die Waben im Kaltbau auf einem Schlitten in die Beute. „Sonst bestücke ich die Beuten lieber mit so vielen Waben, wie hineinpassen.“
Hinterbehandlungsbeute: Baurahmen am Sichtfenster
Bei Hinterbehandlungsbeuten wird immer gerne der Baurahmen direkt am Sichtfenster hervorgehoben. Er dient den Imkern als Barometer für die Schwarmstimmung des jeweiligen Volkes. Kempke hängt den Baurahmen jedoch lieber ans Brutnest heran: „Ich will damit ja Varroen entnehmen. Da ist es nicht sonderlich effektiv, wenn der Rahmen am Rand hängt.“
Ein Vorteil der Hinterbehandlungsbeuten ist nachgewiesenermaßen der geringe Wassergehalt des geernteten Honigs. Offensichtlich fällt es den Bienen leichter, den Honig in den kleinen Beuten zu trocknen. Die Völker müssen aufgrund des geringen Platzes allerdings öfters abgeerntet werden. Entsprechend schleudert Kempke fünf- bis sechsmal im Jahr. Das ist aber durchaus in seinem Sinne. „Durch das Zuhängen der honigfeuchten Waben entsteht mehr Sammelleidenschaft, und die Bienen produzieren mehr Honig“, ist er sich sicher – und seine durchschnittlich 80 kg pro Volk scheinen ihm recht zu geben.
Inzwischen gibt es Normbeuten und das passende Zubehör auch wieder neu zu kaufen. Das sah vor wenigen Jahren noch anders aus. Entsprechend wurden fehlende Ersatzteile oft als Argument gegen die Hinterbehandlung angeführt. Bei dem Punkt kann Kempke jedoch nur mit den Schultern zucken: „Ab und zu muss ich ein Fenster ersetzen. Das schneide ich dann selbst zu. Aber ansonsten habe ich für die Beuten bislang noch nie Ersatzteile benötigt.“
Im Güstrower Verein, in dem Kempke seit 2006 stellvertretender Vorsitzender ist, imkert noch rund die Hälfte der Imker mit Hinterbehandlungsbeuten. „Die neuen Imker halten ihre Bienen aber alle im Magazin“, erzählt Kempke. „Wir raten auch niemanden zur Hinterbehandlung“, stellt er klar, „schon allein weil die Jungimker in der Regel keine Bienenwagen oder -häuser haben, in denen sie die Beuten unterbringen könnten. Hinterbehandlungsbeuten sind ja nicht wetterfest und eignen sich daher nicht für die Aufstellung im Freien.“
Sebastian Spiewok
INFO: Überwintern in der Hinterbehandlungsbeute
Die Völker wintert Kempke auf zwei Räumen ein. Dazu stellt er die Waben im oberen Raum allerdings um 90 Grad versetzt auf. Sie stehen dann auf Leisten, die auf den unteren Rähmchenoberträgern aufliegen. „Andernfalls ist der Abstand zwischen den Waben im oberen und unteren Raum zu groß“, erklärt er. „So kann die Wintertraube hingegen problemlos wandern.“ In der Tat befindet sich zwischen den Waben der beiden Räume ein recht großer Spalt. Dieser rührt daher, dass zwischen den beiden Räumen auch noch das Absperrgitter oder ein Brettchen zum Absperren eingefügt werden kann.
INFO: Hinterbehandlung mit großen Waben
Schienen, Schlitten und andere Tüfteleien zeigen, mit welchen Mitteln Imker versuchen, gewissen Unzulänglichkeiten der Hinterbehandlungsbeute zu begegnen. Zu diesen Tüftlern gehört auch Helmut Ortel aus Seelow. Der Brandenburger hatte bereits vor der Wende ein Metallgerüst samt Winde für die Beuten in seinem Bienenwagen gebaut, um die Waben im Block aus der Beute herauszubefördern. Nach der Wende stieg er zunächst auf Flachzargen um, was seine Bienen allerdings nicht mitmachen wollten. Also ging er zu großen Brut- und flachen Honigrähmchen über, die ihn und seine Bienen schließlich überzeugten.
Vor drei Jahren überlegte Ortel, ob man das große Wabenmaß nicht auch in Hinterbehandlungsbeuten unterbringen könnte. Dazu versetzte er versuchsweise die Leisten und Schienen in zwei übrig gebliebenen Hinterbehandlungsbeuten. Dort passen nun Rähmchen im Anderthalb-Normalmaß in den Brut- und flache Rähmchen in den Honigraum. Damit die Bienen noch genug Platz für den Honig haben, hat Ortel eine abdeckbare Öffnung in die Beutendecke gesägt. Somit kann er die Beute mit ganz normalen Honigzargen und einem Deckel erweitern. „Die Bienen nehmen die Honigräume auch durch die kleinere Öffnung gut an“, berichtet er.
Um die großen Brutwaben – aber auch die Honigwaben – einfach aus der Beute entnehmen zu können, hängen alle Rähmchen in einem waagerechten Eisenrahmen. Dieser läuft in einer Schiene. Mithilfe einer Winde und zwei Ketten kann Ortel den Rahmen aus der Beute ziehen. „Das muss man nicht einmal schmieren“, sagt er. Mit der Winde bringt er genug Kraft auf, um auch festgekittete Rähmchen zu lösen.
„Die alten Beuten sind heute einfach zu klein“, findet Ortel. „Vor allem Buckfastbienen kann man da nicht mehr hineinquetschen.“ Er will daher auch keine Hinterbehandlungsbeuten für die Imkerei empfehlen: „Die jungen Imker sollen mit Magazinbeuten arbeiten, aber es gibt noch Hunderte alter Hinterbehandlungsbeuten, die nutzlos herumstehen oder zu Feuerholz zerhackt werden. Ich wollte einfach zeigen, dass man darin mit ein paar Umbauten auch modern mit großen Brutwaben imkern kann. Das ist eher etwas für kleine Imkereien, die noch Hinterbehandlungsbeuten rumstehen haben.“
Aus Altersgründen möchte Ortel seinen Bienenstand, den er 1987 gebaut hat, nun verkaufen. Einen Interessenten, der zugleich auch seine rund 25 Bienenvölker übernehmen will, hat er bislang aber noch nicht gefunden.
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