Peter Niedersteiner ist einer der wenigen Bienenhalter in Deutschland, der eine solidarische Imkerei betreibt. Er berichtet von seinen Erfahrungen.
Landwirtschaftliche Betriebe, die sich nach solidarischen Prinzipien organisieren, sind nicht neu. Doch es gibt nur wenige Imkerinnen und Imker, die dieses alternative Vertriebsmodell nutzen. Dabei sind die Modelle vielfältig. Allen solidarisch organisierten Landwirtschaftsbetrieben ist gemeinsam, dass die so wirtschaftenden Landwirtinnen und Landwirte sich vom Preis- und Produktionsdruck befreien wollen. Im Folgenden möchte ich meine solidarische Imkerei vorstellen, die ich in den letzten fünf Jahren aufgebaut habe.
Solidarische Imkerei: Die Mitglieder entscheiden
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Wenn Leute erfahren, dass ich eine Imkerei betreibe, werde ich oft gefragt, wie viel ein Glas Honig bei mir kostet. Daraufhin verläuft das Gespräch zumeist wie folgt: „Ich verkaufe keine einzelnen Gläser Honig. Entweder ich schenke dir ein Glas – oder du übernimmst einen
Anteil an meiner solidarischen Imkerei. Der produzierte Honig gehört nicht mir, sondern allen Mitgliedern der solidarischen Imkerei gleichermaßen. Er wird exklusiv unter diesen verteilt.“ – „Und was kostet ein Anteil an der Imkerei? Wie viel Honig bekomme ich dafür?“, fragen die Menschen anschließend. Wenn ich dann antworte, dass dies meinem Gegenüber überlassen sei, sind sie zuerst irritiert.
Ich erkläre dann, dass ich jedes Jahr den finanziellen Bedarf errechne, den ich für den Imkereibetrieb und für 50 Prozent meiner Lebenshaltungskosten brauche, da ich die Imkerei im Nebenerwerb betreibe. So lande ich in jeder Saison bei etwa 16 Euro im Monat und
rund 200 Euro im Jahr. An diesem Wert können sich die Leute orientieren. Wie viel Geld steht ihnen zur Verfügung? Was ist ihnen der Honig wert? 16 Euro im Monat sind recht viel. Ich weiß, dass sich diesen Betrag nicht alle leisten können. Ich bitte die Leute, mindestens sieben Euro im Monat zu bezahlen, denn es gibt durchaus Mitglieder, die mehr als den Richtwert von 16 Euro überweisen. Honiggläser bekommen sie dann so viele, wie sie wollen.
Dabei sollen sie sich an ihrem tatsächlichen Bedarf orientieren, auch wenn es vollkommen in Ordnung ist, wenn sie ab und an ein Glas Honig verschenken. Sollte der Honig tatsächlich einmal knapp werden, würde ich alle Mitglieder bitten, bis zur nächsten Honigernte etwas sparsamer beim Verzehr zu sein. So ist die Abmachung. Bisher ist mir der Honig aber noch nie ausgegangen. In diesem Jahr habe ich von zehn Völkern je 20 kg Honig geerntet. Aktuell vergibt meine solidarische Imkerei 57 Anteile an etwa 75 Mitglieder. Manche Personen besitzen einen Anteil allein, manche teilen ihn sich mit der Wohn- oder Lebensgemeinschaft.
Ich habe alle Mitglieder mindestens einmal persönlich getroffen. Ein direkter Austausch mit ihnen ist mir wichtig. Aus diesem Grund verschicke ich jeden Monat einen Newsletter mit aktuellen Informationen, Geschichten und Bildern aus dem Alltag der Imkerei. Diese E-Mails kommen sehr gut an, da ich immer versuche, die Erzählungen in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge, wie Landwirtschaft, Politik, Umweltschutz oder Stadtentwicklung, einzubetten.
Solidarische Imkerei: Gemeinsamkeit zählt
Anders als bei solidarischen Landwirtschaften üblich bin ich im Alltagsbetrieb der Imkerei nicht auf die Hilfe der Mitglieder angewiesen. Bei der Feldarbeit müssen Landwirtinnen und Landwirte oft unterstützt werden. Ich lade die Mitglieder meiner solidarischen Imkerei zu Schleuder- oder Abfüllpartys ein und bitte sie, leere Gläser für unseren Honig zu sammeln, damit wir diese nicht zusätzlich kaufen müssen. Zudem kümmern wir uns gemeinsam um die Landschaftspflege und darum, Lebensräume für Insekten auf dem Gelände einer solidarischen Landwirtschaft zu schaffen. Zusammen gehen wir auch auf „Wanderungen zu den Nektarquellen unseres Honigs“.
Durch diese gemeinsamen Aktionen entsteht Vertrauen. Die Verbundenheit der Mitglieder gegenüber der solidarischen Imkerei steigt. Mir wurde bei solchen Gelegenheiten schon erzählt, dass man unseren Honig in seiner Vielfalt lieben gelernt habe. Man finde es schön zu wissen, welche Pflanze für welche Geschmacksnote sorgt. Auch Unterschiede in der Konsistenz und verschiedene Arten der Veredelung erkennen die Mitglieder. So habe ich anfangs ausschließlich Schleuderhonig produziert. Nun habe ich komplett auf Presshonig umgestellt, da er den Mitgliedern und mir mit seiner feinen Wachsnote besser schmeckt, auch wenn das mehr Arbeit für mich bedeutet.
Besonders angenehm ist bei einer solidarischen Imkerei aus meiner Sicht, dass die Honigvermarktung entfällt. Der Honig braucht kein schickes und teures Etikett. Im Gegensatz dazu muss ich mich darum kümmern, neue Mitglieder anzuwerben. Ich finde die meisten Interessierten über meinen Freundes- und Bekanntenkreis, in der Nachbarschaft, über Infoveranstaltungen bei solidarischen Landwirtschaften oder über die Webseite des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft.
Kein Honigdruck in der solidarischen Imkerei
Unsere 15 Bienenvölker stehen an fünf Standorten über ganz München verteilt. Eine zuverlässige Honigernte garantieren im Frühling der Raps auf dem Land und die Münchner Lindenalleen im Sommer. Lagerräumlichkeiten, der Schleuderraum und eine Gemeinschaftswerkstatt befinden sich in meinem Zuhause: im selbstverwalteten Wohnprojekt Ligsalz8 – Das Münchner Syndikatshaus. Das Wohnprojekt fußt ebenfalls auf solidarischen Prinzipien und ermöglicht es mir, keine weiteren Räumlichkeiten für die Imkerei mieten zu müssen.
Meine Aufgabenbereiche als Imker in einer solidarischen Imkerei sehe ich nicht nur in der Herstellung von Honig und Bienenprodukten, sondern auch im Mitgestalten der Landschaft für Insekten und in der Weitergabe von Faszination und Wissen über Imkerei und Bienen. In meinem Konzept sollen alle Ansprüche an ein nachhaltiges Wirtschaften erfüllt werden. Ich verwende dafür gerne die Begriffe der „Bedarfsökonomie“ und der „Agrarökologie“.
Bedarfsökonomie zu betreiben heißt, sich am tatsächlichen Bedarf und nicht an einer Produktionsmaximierung zu orientieren. Agrarökologie bedeutet, dass man Landwirtschaft und Ökologie zusammendenkt. Der Infotext, der sowohl auf den Honiggläsern als auch auf dem Infoblatt meiner solidarischen Imkerei zu finden ist, fasst die zentralen Punkte meines Modells zusammen.
Peter Niedersteiner
Weitere Infos zu solidarischen Ökonomien
Wer sich für solidarische Ökonomien interessiert, dem empfehle ich die Homepage des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft und folgende Publikationen:
- Heintz, Veikko, Solidarische Landwirtschaft: Betriebsgründung, Rechtsformen und Organisationsstrukturen. Hamm: ABL Bauernblatt, Preis: 21 Euro.
- Voß, Elisabeth, Wegweiser Solidarische Ökonomie. Neu-Ulm: AG Spak, 2015. Preis: 8 Euro.
Das Konzept von Peter Niedersteiners solidarischen Imkerei ist im Rahmen seiner Promotion am Institut für Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität München entstanden. Die Publikation dazu mit dem Titel „Zwischen Staunen und Zweifeln“ steht hier zum freien Download.>>>
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