Schon unsere Vorfahren nutzten die Methode des Beelining – das aktive Suchen nach wild lebenden Bienenvölkern. Die gefundenen Völker wurden damals häufig bei der Honigernte zerstört, denn abgesehen hatten sie es auf das süße Gold. Die modernen Beeliner haben dagegen andere Ziele. Beelining ist eine Freizeitaktivität, bei der man Einblicke in die faszinierende Welt der Bienen erhält.
Es scheint ein ganz normaler, gemütlicher Feierabend an der Isar zu werden. Viele Leute sind an jenem milden Sommerabend an der Isar im Süden Münchens versammelt, ein paar Mutige trauen sich für ein kurzes Bad in den Fluss. Gedankenverloren streift der Blick über die Wiese und weiter zum Isarufer, wo sich kleine Wellen in der sandigen Böschung verlieren. Da erregt ganz unerwartet eine Bewegung die Aufmerksamkeit – eine Honigbiene ist im Sand nahe der Uferlinie gelandet. Eine Wassersammlerin!
Ein Zeichen dafür, dass unweit ein Bienenvolk leben muss, denn Honigbienen fliegen nie weiter als nötig, um ihren Wasserbedarf zu decken, und Wasser finden sie bei uns fast überall. Vermutlich stammt die Wassersammlerin aus einem der zahlreichen Bienenvölker, die Imker in München halten. Beim Beobachten der abfliegenden Biene fällt jedoch auf, dass sie Richtung Waldrand fliegt. Lebt dort ein Volk in einer Baumhöhle?
Unsere Vorfahren nutzten Beelining
Durch das aktive Suchen nach Bienenvölkern – im Englischen: Beelining – konnten wir tatsächlich ein wild lebendes Honigbienenvolk in einer Esche nahe der Isar mitten in München ausfindig machen. Schon unsere Vorfahren nutzten diese Methode, um Bienenvölker im Wald zu finden und Honig zu ernten.
Die gefundenen Völker wurden damals häufig bei der Honigernte zerstört. Die modernen Beeliner haben es hingegen nicht auf das süße Gold abgesehen. Beelining ist vielmehr eine wunderbare Freizeitaktivität, bei der man in den Rausch einer spannenden Schnitzeljagd geraten kann und Einblicke in die faszinierende Welt der Bienen erhält. Außerdem nutzen Bienenforscher die Methode zu wissenschaftlichen Zwecken, um das Vorkommen von wilden Honigbienen in Waldgebieten zu erforschen, worüber wir in der letzten Ausgabe berichtet haben.
Das Grundprinzip besteht darin, Honigbienen auf Blüten zu fangen, an eine künstliche Futterquelle zu gewöhnen und ihre Flugrouten dann bis zum Nest zu verfolgen. Mit dem Wissen über das Verhalten der Bienen und einer Handvoll nützlicher Utensilien kann jeder zu einem erfolgreichen Bienenjäger werden.
Die Ausrüstung fürs Beelining
Beelining-Box: Das nützlichste Werkzeug beim Beelining ist die sogenannte Beelining-Box. Diese können Sie mit etwas Geschick selbst aus Holz bauen. Damit lassen sich leicht mehrere Bienen nacheinander fangen und an eine künstliche Futterstelle gewöhnen.
Futter und Duft: Für das Aufspüren eines Nestes genügt ein Schraubdeckelglas mit 200-500 ml Zuckerlösung. Geben Sie 60-70 g Haushaltszucker pro 100 ml Fassungsvolumen in Ihr Gefäß. Füllen Sie dieses mit warmem Wasser auf, und lösen Sie den Zucker darin auf. Zusätzlich sollten Sie einen Tropfen ätherisches Öl hinzufügen, um dem Futter einen Duft zu verleihen. Hierzu eignet sich besonders Anisöl, doch auch andere Düfte sind geeignet, wie Zitrone, Minze oder Lavendel. Als Fütterer dient ein kleines Stück Bienenwabe. Füllt man sie mit einer Tropfpipette auf, können die Bienen das darin enthaltene Futter leicht aufnehmen. Außerdem läuft das Zuckerwasser beim Bewegen der Box nicht aus. Um keine Krankheiten zu übertragen, sollten Sie allerdings nur Wabenstücke aus Völkern mit Gesundheitszeugnis verwenden. Alternativ bieten sich lange, umgedrehte Legobausteine an.
(Bild: Die Beelining-Box steht für die Bienenjagd bereit. Foto: Patrick Kohl)
Zeichenstifte: Durch farbliche Markierungen auf Brust und Hinterleib können Sie die dressierten Bienen einfach auseinanderhalten. So bekommen Sie einen Überblick über die Anzahl der Sammlerinnen und können deren Rundflugdauer bestimmen. Dazu können Sie Wasserfarben und Pinsel oder im Imkerladen erhältliche Lacke zur Königinnenmarkierung verwenden. Vier bis fünf Farben genügen, um über zwei Dutzend Bienen zu markieren.
Papier und Stift für Notizen: Notieren Sie sich die Informationen, die Sie während des Beelining sammeln! So behalten Sie den Überblick und können im Nachhinein aus Ihren Aufzeichnungen lernen. Armbanduhr: Eine Uhr ist hilfreich, um die Zeit bis zur Rückkehr (Rundflugdauer) einzelner markierter Bienen zu erfassen. So können Sie die Entfernung des Nestes abschätzen.
Optionale Ausrüstungsgegenstände: Ein GPS-Gerät (heute in jedem Smartphone integriert), eine Karte und ein Kompass zur genauen Bestimmung der Flugrichtungen.
Die Vorgehensweise
1. Honigbienen fangen: Suchen Sie nach einer Honigbiene auf einer Blüte, und fangen Sie diese in der vorderen Kammer der Box. Heben Sie dann den Trennschieber an, und locken Sie die Biene zum Licht in der hinteren Kammer. Schließen Sie den Schieber wieder, und verdecken Sie das Fenster mit der Klappe. Anschließend können Sie mit der vorderen Kammer eine weitere Biene fangen. Wiederholen Sie das Prozedere so lange, bis Sie fünf bis zehn Bienen in der Box haben.
2. Bienen füttern: Stellen Sie die Box nun etwas erhöht auf, zum Beispiel auf einen Hocker, und platzieren Sie den gefüllten Fütterer in der vorderen Kammer. Heben Sie den Trennschieber an, und dunkeln Sie die Box mit einem Tuch ab. Im Dunkeln erkunden die Bienen die Kammer, finden das angebotene Futter und tanken ihren Honigmagen voll. Geben Sie den Bienen dazu fünf bis zehn Minuten Zeit. Dann kommt mit dem Öffnen der Box der spannende Moment: Fliegt eine Biene geradewegs aus der Kiste weg, wird sie sicher nicht wiederkommen. Zieht sie jedoch zuerst kleine und dann immer größere Kreise, orientiert sie sich und kommt oft nach einer guten Viertelstunde wieder zurück – je nach Abstand zum Nest. Dort rekrutiert sie weitere Sammlerinnen, die sich bald ebenfalls an der Futterstelle einfinden. Hierbei spielt der beigefügte Duft des Zuckerwassers eine große Rolle. Die Rekrutinnen finden eine duftende Futterstelle viel schneller als eine geruchlose. Ihre künstliche Futterstelle ist nun etabliert!
3. Markieren und beobachten: Nach ein paar Rundflügen werden Ihre Bienen unbeirrt auf dem Fütterer landen und eifrig sammeln. Nun können Sie sie ohne Probleme auf Brust und Hinterleib farblich markieren. Lehnen Sie sich dann zurück, und beobachten Sie die markierten Bienen beim Abflug und bei der Wiederankunft. Notieren Sie dabei für jede Biene die Uhrzeiten und die Flugrichtung. Auf diese Weise lernen Sie, ob es verschiedene Gruppen von Sammlerinnen gibt, die in unterschiedliche Richtungen und damit wohl zu verschiedenen Nestern fliegen. Ermitteln Sie für jede Gruppe die Rundflugdauer der schnellsten Bienen. Sie werden sehen, dass auch Bienen mit gleicher Flugrichtung unterschiedlich lange wegbleiben. Eine Biene, die immer lange braucht, ist nicht unbedingt faul, vielleicht führt sie einfach viele Tänze auf. Und Tanzen kostet nun einmal Zeit! Auf Grundlage der Rundflugzeit der schnellsten Bienen lässt sich mithilfe folgender Faustformel die Entfernung zum Nest schätzen: Distanz (in m) = 150 x Zeit (in Min.) – 350. Brauchen die Bienen beispielsweise sechs Minuten für einen Rundflug, so ist das Nest etwa 550 m entfernt.
4. Schritt in Richtung des Nestes: Haben Sie einen Überblick über die Flugrichtungen und Rundflugzeiten gewonnen, können Sie Ihren ersten Schritt in Richtung Nest machen. Schieben Sie hierzu den Fütterer vorsichtig zurück in die vordere Kammer der Box. Wenn gerade ein paar Bienen Zuckerwasser aufnehmen, schließen Sie die vordere Klappe. Lotsen Sie diese dann wie in Schritt 1 zum Licht in die hintere Kammer. Wiederholen Sie diesen Schritt, bis Sie wieder einige Bienen gesammelt haben. Nun gehen Sie mit Ihrer gesamten Ausrüstung entlang der Flugrichtung auf das vermutete Nest zu. Sollte es mehrere Flugrichtungen gegeben haben, so empfiehlt es sich, zuerst in Richtung des nächstgelegenen Nestes zu gehen. Ein Schritt kann je nach geschätzter Entfernung durchaus 100-300 m weit sein. Am neuen Standort stellen Sie die Box wieder auf und dunkeln sie für fünf Minuten ab, bevor Sie die Bienen wieder freilassen. Die Bienen müssen sich nun wieder neu orientieren und werden bald zum neuen Standort zurückkommen. Wiederholen Sie bei Bedarf die Schritte 3 und 4 bis die Rundflugdauer der schnellsten Bienen unter drei Minuten liegt. Dann ist das Nest sehr nah. Eventuell stellen Sie auch fest, dass sich die Flugrichtung der Bienen umkehrt. Dann sind Sie am Nest vorbeigelaufen.
5. Suche nach dem Nest: Befinden Sie sich nach der Prüfung der Rundflugdauer der Bienen in unmittelbarer Nähe des Volkes, werden Sie spätestens jetzt feststellen, ob ein Bienenstand in der Nähe ist. Ist dies nicht der Fall, geht die Suche nach der Nisthöhle los. Die Höhle zu finden kann manchmal recht lange dauern. Überprüfen Sie den Stamm und große Äste jedes Baumes in der Nähe, und lassen Sie keine Möglichkeit außer Acht. Es kommt auch vor, dass ein Bienenvolk in einer Erdhöhle nistet.
Wann lohnt sich Beelining?
Im Prinzip kann an jedem Ort nach Honigbienenvölkern gesucht werden. Eine perfekte Umgebung sind größere Park- oder Gartenanlagen, denn hier gibt es oft viele alte Bäume mit Höhlen und die Landschaft ist relativ offen. Das erleichtert das Bestimmen der Flugrichtungen. Jeder Beeliner wird ab und an auch Bienen von einem Imkervolk fangen. Meist kann man aufgrund der Flugrichtung abschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man sich auf den Spuren eines wild lebenden Bienenvolkes befindet. Sollte man trotzdem das Volk eines Imkers ausfindig gemacht haben, so kann man sich ein wenig mit den Gedanken aufheitern, wie verwundert der Imker bei der nächsten Völkerkontrolle sein wird: War bis dahin nur die Königin markiert, sind es nun auch einige ihrer Töchter!
Auch bestätigt das Finden eines Bienenstandes, dass man das Beelining beherrscht. Wichtiger als der Ort der Bienenjagd ist die Jahreszeit. Herrscht reiche Tracht, lassen sich die Bienen kaum auf das künstliche Futter ein. Im Nest tanzen viele andere Bienen für natürliche Futterquellen. Die beste Zeit beginnt daher im August, wenn das Wetter gut ist, die Bienen aber kaum noch Nektarquellen finden.
Da die erfolgreiche Suche eines Nestes oft zumindest einen Tag dauert, ist Geduld die wichtigste Tugend eines Bienenjägers. Als weiterführende Lektüre zum Auffinden von wilden Bienenvölkern empfehlen wir das Buch Auf der Spur der wilden Bienen vom Bienenforscher Thomas D. Seeley.
BEEtree-Monitor: So registrieren Sie die wild lebenden Bienenvölker
Die Nester wild lebender Honigbienen sind oft versteckt und schwer zu finden. Eine erfolgreiche Suche kann daher sehr beflügelnd sein. Vielleicht werden Sie das Bedürfnis haben, mehr über das Schicksal des gefundenen Bienenvolkes herauszufinden. Liegt das Nest in der Nähe Ihres Wohnortes, so lohnt sich ein regelmäßiger Besuch, um das Überleben des Volkes zu dokumentieren. Wird die Höhle im Herbst noch besiedelt sein? Überleben die Bienen den Winter? Als Datenplattform für alle Finder von Bienennestern wurde von einer Gruppe ehrenamtlicher Bienenfreunde in Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg der BEEtree-Monitor ins Leben gerufen.
Registrieren Sie sich auf beetrees.org
www.beetrees.org, und dokumentieren Sie Ihre Beobachtungen. Eine kollektive Datensammlung durch viele Mitwirkende ermöglicht ein großflächiges Monitoring und hilft uns, mehr über das Vorkommen und die Entwicklung wild lebender Honigbienenvölker zu erfahren. Die gesammelten Daten sollen in Kooperation mit dem BEEtrees-Forschungsprojekt der Universität Würzburg wissenschaftlich ausgewertet und die Ergebnisse in aufbereiteter und anonymisierter Form der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden (hobos.de/beetrees).
Die Autoren:
Benjamin Rutschmann, HOBOS und Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Patrick Laurenz Kohl, Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie
Sebastian Roth, BEEtree-Monitor
Darstellung einer Bienenjagd in der Nähe von Würzburg
Am Ausgangspunkt (Futterstelle F1) sammelten Bienen aus drei verschiedenen Richtungen (A, B und “?”). Das wild lebende Honigbienenvolk A konnten wir in einer Buche in über 15 m Höhe entdecken. Auch Volk B konnten wir ein paar Tage später mit der Beelining-Methode lokalisieren. Das dritte Volk konnten wir nicht aufspüren.
Lesen Sie ein Interview in unseren „Fünf Fragen an…“ mit Sebastian Roth vom BEEtree-Monitor
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