Bienenstich Allergie: Und nun?

20. September 2017

Bienengift kann starke allergische Reaktionen auslösen. Die meisten Imker kennen die anschwellenden Hautstellen und den Juckreiz nur zu gut. Doch ist das schon ein Zeichen für eine Allergie? Wie kann man sich schützen und muss die Diagnose Bienengiftallergie das Ende der Imkerlaufbahn bedeuten? Fünf Fragen an Prof. Dr. Karsten Münstedt, Gynäkologe, Imker und Wissenschaftler, der sich mit der Materie beschäftigt hat.

Karsten Münstedt setzt sich sowohl in seiner medizinischen Praxis als auch in seiner Freizeit – als aktiver Imker – mit Themen rund um die Imkerei und die Bienen auseinander. Als Gynäkologe untersucht er unter anderem die Wirkung von Bienenprodukten beispielsweise auf Beschwerden in den Wechseljahren.

Doch er hat auch eine Umfrage unter 80 Imkern durchgeführt, die die Diagnose Bienengiftallergie bekommen hatten und ihr Hobby dennoch weiter betreiben. Sie hatten sich für eine Desensibilisierung entschieden und die meisten von ihnen hatten keine weiteren Probleme, wenn sie wieder einmal gestochen wurden.

Wir haben Karsten Münstedt zu seinen grundsätzlichen Erfahrungen mit dem Thema Bienengiftallergie befragt.

1. Wie viele Menschen hierzulande sind von einer Bienengiftallergie betroffen? Trifft es besonders viele Imker?

Erstmal muss sagen, dass viel mehr Menschen von Wespen als von Bienen gestochen werden und dass es deshalb auch viel mehr allergische Reaktionen auf Wespenstiche gibt als auf Bienenstiche. Systematisch erfasst wird das allerdings nicht – meist unterscheidet die Statistik nicht. Allergische Reaktionen auf Insektenstiche kommen daher häufig vor. Die meisten Reaktionen sind jedoch nicht lebensbedrohlich. Schätzungen gehen allerdings davon aus, dass in Deutschland jedes Jahr „nur“ zwischen fünf und acht Menschen an einem Bienenstich sterben.

2. Ist eine Bienengiftallergie immer angeboren oder kann sie erst entstehen?

Angeboren ist nur eine bestimmte Disposition für Allergien, die durch Umweltbedingungen mehr oder weniger stark ausgeprägt sein kann. Anders als man manchmal liest, kann eine Bienengiftallergie aber nicht entstehen, wenn man sehr oft gestochen wird – im Gegenteil. Innerhalb der ersten 30 Stiche zeigt sich meist, ob man eine Allergie entwickelt hat oder nicht. Betrachtet das körpereigene Immunsystem das Bienengift als keine Bedrohung, bleibt eine allergische Reaktion aus. Je häufiger man von Bienen gestochen wird, als umso normaler betrachtet das Immunsystem das Bienengift. Und es ist auch der Grund, warum die Angehörigen von Imkern eher als Risikogruppe für die Bienengiftallergie gelten als die Imker selbst. Bei Imkern gewöhnt sich der Körper sogar an das Gift und bildet gute Antikörper, die die Giftwirkung des Bienengiftes herabsetzen. Das ist auch der Grund, warum Neuimker oft stärkere Reaktionen zeigen, wenn sie gestochen werden, als diejenigen, die das schon vielfach erlebt haben. Bienenstiche sind unangenehm, aber nicht jede Reaktion des Körpers darauf ist eine allergische Reaktion.

3. Wann spricht man von einer allergischen Reaktion und wie äußert sie sich?

Die Bandbreite ist grundsätzlich groß. Die klassische Einteilung unterscheidet verstärkte lokale Reaktionen, bei denen Hautflächen mit einem Durchmesser von mehr als zehn Zentimetern anschwellen und allgemeine Reaktionen, bei denen es unabhängig von der Einstichstelle zu Reaktionen des Körpers mit Blutdruckabfall, Übelkeit und Erbrechen bis hin zum Kreislaufzusammenbruch und Atemnot kommt. Nicht jede Hautreaktion, nicht jedes angeschwollene Auge oder rote, juckende Knie ist also allergisch bedingt bei einem Bienenstich, denn das Gift ist nun einmal sehr stark.

4. Was kann oder sollte man tun, wenn sich herausstellt, dass man auf jeden Bienenstich sehr stark reagiert?

Eine wirksame Therapie ist die Desensibilisierung mit Bienengift. Dabei wird einerseits ausgetestet, wie stark die Allergie wirklich ist und andererseits wird auch dabei der Körper an das Bienengift gewöhnt. Man bekommt Bienengift in sehr kleinen Dosen gespritzt, die dann – je nachdem wie stark man reagiert – gesteigert werden. Das Ziel ist es, dass der Körper mit der Giftmenge von zwei Bienenstichen klarkommt, ohne darauf allergische Reaktionen zu zeigen. Man muss also nicht zwingend aufhören zu imkern, wenn man die Diagnose Bienengiftallergie bekommt. Letztlich ist es wichtig, eine Einschätzung von einem kompetenten Allergologen zu bekommen, der prüft, ob man nach der Desensibilisierung weiterimkern sollte oder nicht. Anders als beim Wespengift, bei dem eine Desensibilisierung erfahrungsgemäß fast immer erfolgreich ist, ist das beim Bienengift nur in etwa 80 bis 85 Prozent der Fälle zutreffend.

5. Kann man davon ausgehen, dass man als Imker, der regelmäßig gestochen wird, nie allergisch auf einen Bienenstich reagiert?

Aufgrund der Untersuchungen von Prof. Bousquet rate ich Imkern, sich im Jahr mindestens 50 Mal stechen zu lassen, damit der Körper an das Gift gewöhnt bleibt.

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