Haben Honigbienen die Wahl, Nektar und Pollen in einer Apfelplantage oder in einem nahe gelegenen Rapsfeld zu sammeln, entscheiden sie sich eher für den Raps. Dr. Julia Osterman fand dies im Rahmen ihrer Doktorarbeit heraus. Hier spricht sie über die Bedeutung ihrer Erkenntnisse.
dbj: Frau Dr. Osterman, ist es nicht offensichtlich, dass Honigbienen eher zur ergiebigen Rapstracht fliegen als in eine Apfelplantage?
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Osterman: Das haben sich die Obstanbauer gefragt, mit denen ich während meines Studiums in Halle zusammengearbeitet habe. Was passiert, wenn der Apfel blüht und Raps in der Nähe ist? Die Anbauer befürchteten, dass die Honigbienen-Völker, für die sie eine Bestäubungsprämie zahlen, gar nicht ihre Apfelblüten bestäuben, sondern in den Raps fliegen.
Honigbienen fliegen auf Raps
Offenbar eine berechtigte Befürchtung.
Sachsen-Anhalt ist ein sehr landwirtschaftlich geprägtes Bundesland. Wir hatten Schwierigkeiten, überhaupt eine Apfelplantage zu finden, in deren Umgebung in einem Umfeld von einem Kilometer kein Raps angebaut wurde. Letztlich konnten wir zwölf Plantagen ausfindig machen, drei davon hatten keinen Raps im Umkreis von einem Kilometer, bei den anderen lag der Rapsanteil bei bis zu 35 Prozent in der direkten Umgebung. Wir fanden bis zu 50 Prozent weniger Honigbienen in den Apfelplantagen, in deren Nähe Raps blühte.
Wie bewerten Sie das?
Der Nektar von Raps hat einen höheren Zuckeranteil, er ist ergiebiger und damit viel attraktiver für Honigbienen als der Apfelblüten-Nektar. Allerdings sind ja dennoch einige Bienen in der Apfelplantage geblieben. Wir können darüber nur mutmaßen, aber es könnte sein, dass Honigbienen beim Pollensammeln eher auf Diversität setzen.
Bestäubung der Apfelbäume sichergestellt
Welche Folgen hatte der Wegfall von Honigbienen für die Bestäubung der Apfelbäume?
Das Überraschende war, dass die Zahl an Hummeln gleichblieb und die Anzahl anderer Wildbienen in den Apfelplantagen um bis zu 50 Prozent stieg, wenn der Anteil an Raps zunahm und die Zahl der Honigbienen zurückging. Damit hatten wir nicht gerechnet! Die Bestäubung war also sichergestellt. Allerdings wäre es zu einfach gedacht, davon auszugehen, dass Honig- und Wildbienen zuvor um den Apfelblüten-Nektar und -Pollen konkurrierten. Das müsste man in einer weiteren Studie genauer klären.
Wie haben die Obstanbauer auf die Ergebnisse reagiert?
Es war schön zu sehen, dass deren Interesse an Wildbienen immer weiter stieg. Sie haben Insektenhotels aufgestellt, uns Fotos geschickt, zum Beispiel von bodennistenden Bienen. 2019 haben wir noch eine Studie an vier Apfelplantagen durchgeführt und dort innerhalb von drei Tagen insgesamt 49 Bienenarten nachweisen können. Das hat die Anbauer motiviert. Trotzdem wollen viele nicht auf Honigbienen-Völker verzichten – sie geben ihnen Sicherheit.
Synergieeffekte, wenn Honig- und Wildbienen zusammenarbeiten
Obstanbau-Betrieben wird empfohlen, etwa fünf Bienenvölker pro Hektar auf eine Obstplantage zu stellen. Ist dieser Wert nun überholt?
Ich denke, viele Anbauer haben einen guten Überblick darüber, wie viele Bestäuber in ihren Anlagen unterwegs sind. Je nachdem können sie mehr oder weniger Bienenvölker aufstellen lassen. Übrigens konnte man mittlerweile Synergieeffekte feststellen, wenn Honig- und Wildbienen zusammen in einer – in diesen Fällen – Kirsch- und Mandelplantage sammeln. Sind Wildbienen vorhanden, wechseln Honigbienen eher einmal den Baum und die Baumreihe – das wiederum kommt der Bestäubung der Blüten zugute.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Magdalena Arnold.
Unsere Interviewpartnerin
Dr. Julia Osterman ist Wissenschaftlerin an der Universität Göteborg in Schweden. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat sie ihre Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Robert Paxton verfasst. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Bestäubungsökologie. Aktuell wirkt sie im Projekt „RestPoll“ der Universität Freiburg mit, das Lebensräume für Bestäuberinsekten in Europa dauerhaft wiederherstellen möchte.
Für Imkerinnen und Imker ist Raps die wichtigste Tracht im Jahr. Dennoch blicken viele mit Sorgen auf das Rapsfeld – aus Angst, ihr Honig könnte mit Rückständen aus Pflanzenschutzmitteln belastet sein. Absprachen mit dem Landwirt oder der Landwirtin sind deshalb essenziell: Wie das gelingen kann, lesen Sie in der aktuellen dbj-Ausgabe.
Fotos: Dr. Julia Osterman
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