Amerikanische Faulbrut: Wichtige Fragen und Antworten

24. Januar 2024

Die Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut zählt zu den wichtigsten Maßnahmen in der Vorbeugung von Bienenkrankheiten. Dr. Otto Boecking und Dr. Pia Aumeier haben im Jahr 2020 einen Leitfaden vorgelegt, der den aktuellen Stand der Wissenschaft in die Praxis der Seuchenbekämpfung übersetzt. Wir haben mit Otto Boecking über die frei erhältliche Broschüre gesprochen.

Herr Dr. Boecking, 2013 wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem BMEL, eine Leitlinie zur Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut (AFB) herausgegeben. Warum bedurfte es eines neuen Leitfadens?

Dr. Otto Boecking: Es gibt zwar schon die Leitlinie des BMEL, aber diese ist sehr stark an den gesetzlichen Grundlagen zur Bekämpfung der AFB angelehnt. Tierseuchenbekämpfung ist Sache der Länder. Die BMEL-Leitlinie versucht daher, eine Anpassung an die Unterschiedlichkeit im förderalen System zu schaffen. Unser Praxisleitfaden soll hingegen wesentlich den aktuellen Wissensstand über die AFB und ihre Bekämpfung in die Praxis übersetzen.

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DBJ Ausgabe 12/2024

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Im naStraAF-Projekt haben wir herausgefunden, dass es bei den Akteuren der Seuchenbekämpfung teils einen enormen Wissensbedarf zur AFB gibt. Zum Beispiel ist wenig über die Unterschiede zwischen den beiden AFB-Erreger- Genotypen ERIC I und ERIC II bekannt und darüber, wie sich diese auf die Felddiagnose auswirken. Inzwischen sind dazu aber viele wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen worden. Unser Ansatz ist daher: Alle Akteure sollen wissen, was hinter der Faulbrut steckt und wie man das Wissen zur AFB in der Praxis anwendet.

„Wer die Amerikanische Faulbrut verstanden hat, sendet regelmäßig Futterkranzproben ein“

An wen richtet sich der Praxisleitfaden, und ist er deutschlandweit gültig?

Adressaten sind Imker, Bienensachverständige, Bienenfachberater und Amtstierärzte. Es gibt zwar keine Pflicht, sich den AFB-Praxisleitfaden zu eigen zu machen, aber wir haben eine sehr hohe Nachfrage nach der Broschüre und ein sehr gutes Feedback aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland. Bienen haben in der Tierseuchenbekämpfung eine gewisse Sonderrolle, denn man kann sie nicht einpferchen.

Aus Imkersicht geht es primär um den Erhalt des erkrankten Bienenvolkes, während der Amtstierarzt hauptsächlich die Tilgung der Seuche im Blick hat. Wenn wir jedoch alle Akteure auf denselben Wissensstand bringen, kann sich auch ein besseres Verständnis für die Perspektive des jeweils anderen entwickeln. Positive Fallbeispiele aus der Praxis belegen das inzwischen.

Amerikanische Faulbrut
Amerikanische Faulbrut: Bei „Streichholzprobe“ sieht man einen fadenziehenden Schleim. Foto: Werner von der Ohe

Warum bedarf es eigentlich einer orchestrierten Bekämpfung der AFB? Sind andere Länder nicht weniger rigide als wir in Deutschland?

Die Sporen der AFB sind jahrzehntelang infektiös. Wenn wir nichts tun, kann es immer wieder zu seuchenhaften Ausbrüchen in der Fläche kommen, in deren Folge viele Bienenvölker sterben. Ich war in Neuseeland, wo ausschließlich die Strategie „Stamping out“ verfolgt wird. Das Ziel ist dort die Ausrottung der Faulbrut durch eine rigorose Abtötung aller mit Faulbrut befallenen Völker. Das Problem dabei ist aber, dass man nur nach der Klinik schaut, also nur den sichtbaren Anzeichen der AFB folgt.

In Deutschland sind wir da weiter und nutzen auch die Labordiagnostik und das AFBMonitoring. Je früher ein Faulbrutausbruch entdeckt wird, desto besser. Wer die Faulbrut verstanden hat, sendet regelmäßig Futterkranzproben ein, zum Beispiel im freiwilligen Monitoring. Zum Glück haben wir hier die finanzielle Unterstützung durch den Staat und in der Regel einen guten Austausch zwischen Amtsveterinären und der Imkerschaft. Die Registrierungspflicht der Bienenvölker ist eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung der AFB.

Was löst die Amerikanische Faulbrut aus?

Man hört oft, dass eine oder nur wenige gefundene Sporen im Labor noch keine Faulbrut ausmachen. Stimmt das?

Hier muss man differenzieren: Selbst eine einzige AFB-Spore kann zum Tod einer infizierten Bienenlarve führen, vorausgesetzt sie keimt im Darm der jungen Larve aus und das Bakterium vermehrt sich. Als Folge stirbt die Larve ab und neue Sporen werden gebildet. Infektionsversuche haben gezeigt, dass aus dieser einen Spore dann etwa 50 Millionen neue Sporen entstehen. Mit einer solchen Sporenmenge können ganze Bienenstände infiziert werden. Das ist die Theorie. In der Praxis werden durch räubernde Bienen eingetragene Sporen oftmals zunächst mit dem Futter stark verdünnt und auch durch die vielen ausgewachsenen Bienen mithilfe ihrer Ventiltrichter herausgefiltert. Die Sporen werden dann über den Kot unschädlich beseitigt.

Da es sich aber bei der Räuberei um einen stetigen Vorgang handelt, ist es – solange die Sporenquelle besteht – nur eine Frage der Zeit, bis es irgendwann zu einer massiven Infektion und in der Folge zum AFB-Ausbruch kommt. Die Aussage, dass eine oder nur wenige Sporen keine Faulbrut verursachen, ist also eher fahrlässig.

Sie halten die ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung „Bösartige Faulbrut“ für unpassend. Warum?

Der Begriff „Amerikanische Faulbrut“ ist bereits unpassend, aber wenn „Bösartigkeit“ die potenzielle Tödlichkeit für das gesamte Bienenvolk bedeutet, müsste die Europäische Faulbrut auch bösartig sein. Die Bezeichnung stammt aus früheren Zeiten, als es noch seuchenhafte Ausbreitungen der Bienenkrankheit in der Fläche gab. Heute haben wir in einigen Bundesländern ein flächendeckendes AFB-Monitoring, und es muss nicht mehr zu solchen Flächenbränden kommen.

Die Amtstierärzte sind zunehmend über die Kreis- und Landesgrenzen hinweg mit ihren Kollegen im Austausch und stimmen sich ab. Der neue Praxisleitfaden ist dabei ein weiterer Baustein in der Angleichung und Koordinierung der Bekämpfungspraxis. Faulbrut ist eine der schönsten Bienenkrankheiten, denn wenn man sie einmal verstanden hat, kann man sie effizienter bekämpfen als zum Beispiel die Kalkbrut.

Amerikanische Faulbrut: „Für das Volk ist ERIC I gefährlicher, für den Imker ERIC II“

Welcher Erreger-Genotyp der AFB ist gefährlicher: ERIC I oder ERIC II?

Für Larven sind beide Erreger-Genotypen gleich gefährlich, denn jede erkrankte Larve muss unweigerlich sterben. Die Genotypen unterscheiden sich wesentlich in ihrer Virulenz. Grundsätzlich stirbt bei beiden Typen der überwiegende Anteil der infizierten Larven in der frühen Entwicklungsphase, also vor der Verdeckelung. Bei ERIC I kann sich ein Teil der Larven trotz Erkrankung noch bis nach der Verdeckelung ihrer Brutzelle, also bis zur Spinnmade, entwickeln, um dann erst abzusterben. Ab diesem Zeitpunkt ist das Hygieneverhalten des Bienenvolkes kontraproduktiv, denn die Sporen werden beim Ausräumen der Zellen massiv im Volk gestreut.

Bei ERIC II hingegen werden die Larven meist schon vor dem Verdeckeln von den Pflegebienen ausgeräumt und somit entschärft, weil sie früh absterben und so nicht in Massen neue Sporen produziert werden können. Hier kann es manchmal Jahre dauern, bis für die AFB spezifische Symptome, wie eine fadenziehende Masse oder Schorfe, in der Zelle vorzufinden sind. Der Imker findet dann vielleicht das für die AFB unspezifische Symptom eines löchrigen Brutnestes vor und merkt ohne Labortest von der AFB-Infektion lange nichts.

Später, im Verlauf des weiteren Krankheitsgeschehens, wenn aufgrund der vielen toten Larven das Sozialgefüge im Bienenvolk gestört ist und es immer weniger ausgewachsene Bienen gibt, funktioniert das Hygieneverhalten nicht mehr. Dann nimmt bei beiden Genotypen unweigerlich die Zahl der AFBtypischen Verdachtszellen zu. Für das Volk ist also ERIC I gefährlicher, für den Imker und die AFB-Felddiagnose hingegen ERIC II.

Amerikanische Faulbrut: Warum eignet sich der Geruchstest nicht?

Ein typisches Anzeichen für AFB ist eine fadenziehende, gummiartige Masse, die man mithilfe eines Streichholzes aus der Zelle ziehen kann. Welches Problem haben Sie mit der sogenannten Streichholzmethode?

Ich nehme lieber eine Pinzette, mit der ich zunächst ganz elegant den Zelldeckel von Verdachtszellen entfernen kann. Erkenne ich in der Zelle etwas, das noch rudimentär nach einer Puppe oder Larve aussieht, kann es keine AFB sein. Stochere ich dagegen mit einem Streichholz in der Zelle oder rühre womöglich noch darin herum, nehme ich mir diese zusätzliche Diagnosemöglichkeit. Die fadenziehende Masse lässt sich auch mit einer Pinzette sehr gut darstellen.

Sie wollen im Leitfaden auch mit „überholtem Lehrbuchwissen“ und „anekdotischen Behauptungen“ aufräumen. Was genau wird heute noch an überholtem oder anekdotischem Wissen vermittelt?

In vielen Büchern wird entweder nicht zwischen ERIC I und ERIC II unterschieden oder der wissenschaftliche Erkenntnisstand falsch wiedergegeben. Daneben werden auch unspezifische Symptome, wie ein „fauliger Geruch“ als vermeintlich typisches Kriterium herangezogen. Wir machen in Kursen für Amtsveterinäre und Imker regelmäßig den Geruchstest, und dort reicht die Spannweite der Beschreibungen von „bitterschokoladig“ bis zu „Schweißgeruch“. Das Kriterium eignet sich also nicht.

Auch gibt es Fachberater, die sagen, dass ERIC II immer sicher im Feld nachweisbar ist, alles hänge vom individuellen Können ab. Doch wir wissen, dass das Geschehen in einem Bienenvolk sehr dynamisch ist. Zum Beispiel werden bei Massentrachten Zellen mit kranken Bienen sehr viel schneller ausgeräumt als bei fehlender Tracht. Dann kommt es häufig vor, dass man einfach keine Klinik vorfindet.

Amerikanische Faulbrut: Warum ist die Futterkranzprobe so wichtig?

Manche Gesundheitszeugnisse werden noch allein auf Grundlage einer optischen Brutkontrolle ausgestellt. Muss man diese Praxis reformieren?

Ja, denn die optische Brutkontrolle ist nur eine Momentaufnahme. Wenn man hingegen eine Futterkranzprobe im Labor untersuchen lässt, erhält man eine Abbildung des frühen Krankheitsgeschehens. Das gilt insbesondere, wenn der Erregertyp ERIC II ursächlich ist. Wer Bienen kauft, sollte also immer ein Gesundheitszeugnis auf Grundlage einer Futterkranzprobe einfordern.

Im Leitfaden kritisieren Sie unpräzise Formulierungen in der Bienenseuchenverordnung und in den Ausführungsbestimmungen der Länder, die eine uneinheitliche Auslegungspraxis bei den Veterinärämtern zur Folge haben. Welche Punkte sollte man präzisieren?

Die Kritik kommt nicht originär von uns. Es ist schon lange in der Diskussion, dass man die Bienenseuchenverordnung dringend präzisieren muss. Beispielsweise ist dort nicht definiert, was mit einem „Verdacht“ auf AFB oder mit einem „Ausbruch“ der AFB genau gemeint ist. Auch die sogenannte epidemiologische Einheit ist nicht definiert. Es ist aber klar, dass alle Bienenvölker und Stände eines Imkers bei der AFB-Bekämpfung als eine Einheit herangezogen werden müssen, auch wenn die Seuche zunächst nur auf einem Stand festgestellt wurde.

In den Ausführungsbestimmungen der Länder ist ebenfalls vieles unpräzise formuliert. In Brandenburg beispielsweise widerspricht die Durchführungsverordnung sogar der übergeordneten Bienenseuchenverordnung, da hier bei einem erkrankten Bienenvolk kein Kunstschwarmverfahren als Sanierung erlaubt ist, während die Bienenseuchenverodnung diese Entscheidung grundsätzlich in der Verantwortung des Amtsveterinärs belässt.

Wann steht eine Sanierung der Völker an?

In welchen Fällen ist eine Tötung von Völkern, die an der AFB erkrankt sind, sinnvoll, wann eine Sanierung?

Das muss immer eine Einzelfallentscheidung bleiben, denn der Amtsveterinär muss das Gesamtgeschehen im Blick haben. Dazu gehört auch die Bereitschaft der Imker mitzuarbeiten. Bei kleinen AFB-erkrankten Völkern ohne viele Jungbienen, die womöglich auch einen Varroaschaden haben, ist die Sanierung nicht sinnvoll. AFB-erkrankte Völker mit einer großen Bienenmasse und vielen Jungbienen hingegen kann man durchaus sanieren.

Daneben kommt es natürlich auf die Jahreszeit an: Später im Jahr funktioniert das offene Kunstschwarmverfahren nicht mehr so gut. Vom Kunstschwarmverfahren mit Kellerhaft sollte man gänzlich abrücken, denn die Gefahr des Verhungerns oder Verbrausens ist hier einfach zu groß. Das hat die Praxis vergangener Jahre gelehrt.

Neben dem offenen Kunstschwarmverfahren sind im neuen Praxisleitfaden weitere Sanierungsmöglichkeiten vorgestellt. Welche sind dies, und welche Vorteile haben sie?

Bei AFB-verdächtigen Völkern – das sind solche ohne Klink, aber mit einem positiven Laborbefund – empfehlen wir grundsätzlich das offene Kunstschwarmverfahren. AFB-ansteckungsverdächtig sind hingegen Völker ohne Klinik und ohne Laborerregernachweis, die sich bei einem AFB-Ausbruch innerhalb der betroffenen epidemiologischen Einheit befinden. Hier kann man in einem „Umhängeverfahren“ oder im Verfahren „Teilen und behandeln“ Brut und Bienen voneinander trennen und auf diese Weise eventuell sporenbelastetes Futter entnehmen und einen Neustart initiieren. Günstig ist bei beiden Verfahren, wenn währenddessen ein steter Nektareintrag von außen herrscht.

„Faulbrut ist eine der schönsten Krankheiten“

Sie empfehlen, Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten gemeinsam an einem zentralen Ort durchzuführen. Halten Sie den Einsatz von sogenannten BiG-Mobilen an betroffenen Ständen für überholt?

Die Empfehlung, solche Arbeiten nicht mehr an den Ständen der Imker zu erledigen, hat drei Gründe. Zum einen soll kein Imker in die Ecke gestellt werden. Zwar weiß man heute, dass vor allem die stärksten Völker räubern und damit die AFB verschleppen, aber lange galten von der AFB betroffene Imker als Chaoten.

Zum anderen bietet sich so eine tolle Lerngelegenheit für alle Mithelfenden. Wer einmal gesehen hat, wie Faulbrut in den Waben aussieht, erkennt die Symptome in den eigenen Völkern viel schneller. Außerdem stärkt man mit solchen Aktionen die Solidarität unter den Imkern. Der Zusammenhalt ist in der Faulbrutsanierung viel schneller hergestellt als bei sporadischen Versammlungen im Vereinsheim. Man könnte etwas provokant sagen: „Faulbrut macht die besseren Imker.“ Auch deshalb gilt: Faulbrut ist eine der schönsten Krankheiten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Malte Frerick. Dieses Interview erschien erstmals in der dbj-Ausgabe 10/2020.

Praxisleitfaden zur Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut

Der Praxisleitfaden ist am LAVES – Institut für Bienenkunde Celle im Rahmen des Projektes mit dem Titel „Entwicklung und Etablierung fortschrittlicher Sanierungsverfahren in der Imkerei als nachhaltige Strategie zur Vorbeugung und Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut“ – kurz: „naStraAF-Projekt“ – entstanden. Das aus Zweckvermögen des Bundes bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank geförderte Projekt hatte eine Laufzeit von mehr als drei Jahren und wurde in Kooperation mit den Bieneninstituten in Mayen und Hohen Neuendorf sowie weiteren Akteuren durchgeführt.

Die Autoren des Leitfadens, Dr. Otto Boecking und Dr. Pia Aumeier, sind Bienenwissenschaftler und setzen sich seit Jahren für einen Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Bekämpfung von Bienenkrankheiten zu den Anwendern ein. Den 48 Seiten starken Leitfaden kann man sich hier kostenlos herunterladen. >>>