Süße Tropfen: Honigernte in der wesensgemäßen Bienenhaltung

15. Dezember 2020

Heinz Risse erntet von seinen Völkern nur den überschüssigen Honig. Die Erträge sind dadurch geringer als bei konventionellen Imkern. Dafür gibt es bei ihm ganz besondere Spezialitäten wie Waben-, Tropf- und Presshonig – so funktioniert die Honigernte in der wesensgemäßen Bienenhaltung.

Honigernte bedeutet bei mir, dass ich den Bienen nur die Überschüsse wegnehme, die sie nicht für die Überwinterung benötigen. Ich möchte, dass sie ihre gesammelten Vorräte für sich verbrauchen dürfen. Nach meiner Überzeugung sind im Honig bessere Inhaltsstoffe für das Überwintern zu finden als im Zuckerwasser. Das stärkt das Immunsystem der Bienen. Für mich hat das auch etwas mit Respekt gegenüber den Honigbienen zu tun: Ich möchte meine Tiere nicht ausbeuten, sondern mit ihnen auf Augenhöhe leben – geben und nehmen. Deshalb ernte ich nur einmal, gegen Ende des Sommers.

Müssen die Bienen nicht unentwegt neuen Nektar sammeln, haben sie mehr Zeit für das sogenannte Allogrooming, eine Art soziales Putzen: Dabei reinigen sie sich nicht nur gegenseitig von Schmutz, sie putzen auch die Varroen fort. Studien haben gezeigt, dass dieses Verhalten nachlässt, wenn man ihnen den Honig zu früh wegnimmt. Die Bienen haben dann nicht mehr ausreichend Zeit für das gegenseitige Reinigen. Für mich ist die späte Honigernte deshalb eine Möglichkeit, der Milbe die Rote Karte zu zeigen.

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Honigernte in der wesensgemäßen Bienenhaltung: Pressen statt schleudern

Statt den Honig zu schleudern, presse ich die Honigwaben und lasse den Honig abtropfen. Meine Honigwaben sind nicht stabil genug für die Schleuder, weil ich nicht mit Draht und Mittelwänden arbeite. Die Honigwaben werden aus den Stöcken entnommen, zerkleinert, gestampft und in ein grobes Sieb gegeben. Danach läuft der Honig durch ein weiteres feineres Doppelsieb und danach durch einen 20-DEN-Nylonstrumpf für Damen. Bei größeren Menge verwende ich eine handelsübliche Obstpresse. Dazu gebe ich das zerkleinerte Wabenwerk in den Presskorb, und der Honig läuft zunächst ohne Druck durch die verschiedenen Siebe. Das dauert eine Weile, aber durch sein Eigengewicht landet der Honig schließlich im Auffangkübel aus Edelstahl mit Quetschhahn.

Weil er in diesem Prozess langsam von Sieb zu Sieb tropft und so von feinsten Wachskrümeln befreit wird, nenne ich ihn „Tropfhonig“. Erst wenn der Großteil des Honigs abgetropft ist, nutze ich die Pressvorrichtung und übe mit dem Presskorb Druck auf die noch vorhandene Wabenmasse aus, um den restlichen Honig auszupressen. Auch das dauert eine Weile, weil der Honig durch seine Konsistenz nur langsam aus dem Presskuchen herausquillt. Dabei wird alles zusammengepresst, was die Honigbienen gesammelt oder selbst produziert haben: Wachs, Pollen, Propolis und natürlich auch Honig. Bei diesem aufgefangenen Honig handelt es sich um Presshonig. Auch das ist eine Spezialität, die durch ihren hohen Gehalt an lokal gesammelten Pollen ideal für Allergiker zum Aufbau der eigenen Immunabwehr geeignet ist.

Wabenhonig – Honigernte direkt ins Glas

Heinz Risse nimmt die Honigernte in der wesensgemäßen Bienenhaltung vor. Foto: Hein Risse
Heinz Risse ist Elektroingenieur und hält zehn Völker in unterschiedlichen Beuten: Mellifera-Einraumbeute, Top Bar Hive, Klotzbeute, Bienenkiste, Warré und Dadant im umgebauten Deutsch- Normalmaß mit hohem Brutraum. Er betreibt wesensgemäße und artgerechte Bienenhaltung mit Naturwabenbau, Schwarmimkerei und Zeidlerei. Foto: Heinz Risse

Am liebsten ernte ich Wabenhonig. Dafür schneide ich Honigwabenstücke aus den entnommenen Rähmchen und gebe sie direkt ins Glas. Anschließend lasse ich noch etwas flüssigen Honig dazulaufen – und fertig ist ein erstklassiges Lebensmittel, noch dazu in einer Verpackung, die der Mensch selbst nicht besser herstellen kann. Der Genuss dieser Wabenstückchen auf dem Frühstücksbrötchen ist unübertroffen und eine echte Spezialität für Gourmets. Dazu muss man wissen: Ich verwende keine Mittelwände, sondern bevorzuge reinen Naturwabenbau. So reichern sich im Wachs keine Schadstoffe an, und man kann es unbesorgt mitessen.

Aus zerkleinerten Wachs: Kerzen herstellen

Alle Bestandteile der zerkleinerten Waben stammen aus meinen eigenen Bienenvölkern. Das mit Pollen und Honig vermischte Bienenwachs kommt nicht wieder in die Völker. Stattdessen schmelze ich den gepressten Wachskuchen ein und stelle aus dem gewonnenen Wachs Kerzen her. Das macht einiges einfacher: Ich brauche zum Beispiel keine Mittelwände einzulöten, keinen Draht zu spannen und keine Rähmchen zu lochen. Wenn die Volksentwicklung im nächsten Jahr im Mai neu losgeht, schwitzen die Bienen wieder herrliches Wachs für ihren Naturwabenbau aus. Dabei hat jedes Bienenvolk sein ganz individuelles Wabenwerk.

Honigernte in der wesensgemäßen Bienenhaltung - Honigwaben in der Beute, Foto: Heinz Risse
Volle Waben: Für die Honigernte in der wesensgemäßen Bienenhaltung wird die Beute auf den Kopf gestellt. Man erkennt die ausgebauten Naturwaben mit verdeckeltem Honig. Foto: Heinz Risse

Mittelwände würden deshalb einen Fremdkörper im Volk darstellen. Außerdem stören sie mit ihrer unnatürlichen Dicke die feine Konsistenz des Wabenhonigs, wenn man hineinbeißt. Naturwabenbau hat dagegen eine zart schmelzende Wabenstruktur, die im Mund zergeht und den oft noch flüssigen Honig sein volles Aroma im Mund entfalten lässt. Darin bleibt der Geschmack der nach und nach eingetragenen Honigmengen aus den verschiedenen Trachten erhalten: Sieht man sich den Querschnitt der Wabenstücke an, so werden auf den beiden Seiten unterschiedliche Honigeinträge sichtbar, die sich teilweise auch farblich unterscheiden. Ich kann nur jedem empfehlen, es selbst einmal auszuprobieren und zu kosten. Für mich ist dieser besondere Honig sehr wertvoll – er schmeckt einfach köstlich.

Heinz Risse

naturnah imkern

Der Beitrag stammt aus dem neuen dbj-Sonderheft „Naturnah imkern“ – hier gehen wir u.a. Fragen nach wie: Was verändert sich am Imkern, wenn der Honigertrag nicht mehr an erster Stelle steht? Was heißt es, wenn Bienen ihre Waben frei bauen, schwärmen dürfen und auf ihrem eigenen Honig überwintern?

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