Landwirtschaft und Bienen: So entstehen summende Äcker

05. Februar 2020

Doreen Riske führt in Mecklenburg-Vorpommern einen konventionell arbeitenden Landwirtschaftsbetrieb, in dem sich auch Bienen wohlfühlen. Landwirtschaft und Bienen – wie geht das zusammen? Holen Sie sich hier Anregungen, worüber Sie mit Ihrem benachbarten Landwirt reden könnten!

Beim Raps haben wir in diesem Frühjahr ganz auf Spritzung verzichtet“, sagt Doreen Riske. „Das traust du dich? Ich könnte nicht mehr schlafen!“, habe ein Kollege gesagt. Nun blickt die 48-jährige Landwirtin aus Mecklenburg-Vorpommern auf die Ölfrucht, die mit dicken Halmen auf dem Feld steht. „Hier sind ein paar Schoten abgefressen“, sagt sie und zupft an einer Pflanze, „Aber ich glaube, das wäre genauso, wenn wir gespritzt hätten.“

2.400 Hektar bewirtschaftet Riske gemeinsam mit zwei Kollegen. Die Flächen gehören zur Agrar GbR Groß Kiesow in der Nähe von Greifswald. Der Betrieb arbeitet konventionell, und dennoch ist er in vielerlei Hinsicht besonders. Landwirtschaft und Bienen schließen sich hier nicht aus. Geschäftsführerin Riske ist nicht nur Agraringenieurin, sondern auch Biologin, und sie blickt mit für eine Landwirtin ungewöhnlicher Empathie auf die Insektenwelt, die sich auf ihren Ackerflächen tummelt. Auf ihren Flächen forschen Studenten der Universitäten Greifswald und Ulm, gerade hat ein Wildbienenexperte dort eine Art entdeckt, die zuvor noch nie in Mecklenburg-Vorpommern gesichtet wurde. Konventionelle Landwirtschaft und solcher Artenreichtum – wie geht das zusammen?

Für Honig- und Wildbienen

Doreen Riske Foto: Sabine Rübensaat

Mit zwei Imkern arbeitet die Landwirtin schon lange gut zusammen. „Ich kannte schon ihren Vater“, berichtet Jürgen Wohlers. Er ist hochzufrieden mit den Bienenweidemischungen, die im Flugfeld seiner Bienen blühen. Wenn gespritzt werden muss, spricht Riske das mit ihm ab.

Den Wildbienenexperten Johann-Christoph Kornmilch, der das Artenspektrum in der Region schon seit Jahrzehnten kennt, traf Riske auf einer Veranstaltung der Greifswalder Agrarinitiative. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Kirche, Stadt und anderen Landbesitzern, die sich um nachhaltiges Wirtschaften in ihrer Region kümmern wollen. Kornmilch hielt dort einen Vortrag, danach kamen die beiden ins Gespräch. Riske war sofort dabei, als die Agrarinitiative ihr vorschlug, auf einer Brache das „streifenförmige Mähen“ auszuprobieren. Dabei wird nicht die gesamte Wiese gemäht, sondern nur Abschnitte, sodass die Bienen dort immer Nahrung finden. Die Landwirtin hatte sofort eine bestimmte Fläche im Kopf: ein sandiges Stück Land, 36 Hektar groß, das bereits seit 27 Jahren nicht mehr ackerbaulich genutzt wird. In der Folge kartierten Studenten der Universität Greifswald diese naturnahe Fläche des Agrarbetriebes. „Als ich gehört habe, dass im eigenen Betriebsgebiet Rote-Liste-Arten leben, fand ich das imposant“, sagt Riske. „Da dachte ich, oh Gott, da musst du was tun, dass das so bleibt.“

Landwirtschaft und Bienen: Spielräume beim Pflanzenschutz

Nicht auf allen Flächen kann die Agrar GbR Naturschutz betreiben. Der Betrieb beschäftigt knapp 20 Mitarbeiter, das Einkommen wird in erster Linie mit Wintergetreide und Kartoffeln erwirtschaftet. Auch Saatkartoffeln werden produziert, also solche, die von Kunden im eigenen Garten gesteckt und vermehrt werden können. Pflanzenschutz lässt sich auf diesen Äckern nicht vermeiden, aber Riske zeigt auf, dass auch bei konventioneller Landwirtschaft und Bienen sich nicht ausschließen. Wenn sie über Pflanzenschutzmaßnahmen entscheidet, hat die Landwirtin nicht nur die Schädlinge im Kopf. „Dann fallen mir Kornmilchs Vorträge ein, und welche Käfer und Larven ich mit den Mitteln töte“, sagt sie. „Wir setzen zwar Pflanzenschutzmittel ein. Das müssen wir, wenn wir ernten wollen“, sagt Riske. „Aber wenn es möglich ist, entscheiden wir uns halt auch dagegen.“

Die Bonitur entscheidet

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Maßgeblich für diese Entscheidungen sind die Kontrollen, die Riske und ihre Kollegen auf den Feldern machen. Zum Beispiel beim Raps: Die gelb blühende Ölpflanze zählt zu den elf Kulturen, die der Betrieb anbaut. „Wir säen Raps aus phytosanitären Gründen, finanziell einträglich ist er nicht“, sagt sie. „Bestenfalls ein Nullsummenspiel.“ Wenn die Rapspflanzen noch klein sind, stellt Riske gelbe Schalen mit Flüssigkeit auf die Felder. Die Schädlinge werden von der gelben Farbe angezogen und sammeln sich darin. So wird der Befall mit Rapsstängelrüssler, Kohlschotenmücke und anderen Arten abgeschätzt, die die Pflanze vor und während der Blüte befallen. Nur wenn die Schadschwellen überschritten sind, wird behandelt. Auch die landwirtschaftlichen Beratungsstellen sprechen alljährlich Empfehlungen aus. „Im Grunde halten wir uns an die Vorgaben“, sagt Riske. Aber manch ein Landwirt geht trotzdem lieber auf Nummer sicher.

Auch Herbizide werden nach solchen Bonituren eingesetzt. Riske schreitet die Getreidefelder ab, bevor die Gersten- oder Weizenpflanzen groß werden, und zeichnet in einem Plan ein, wo Ackerwildkräuter wie Kornblume oder Mohn wachsen. Werden bestimmte Schadschwellen überschritten, wird behandelt. Aber im Gegensatz zu manchem Kollegen, der im wahrsten Sinne des Wortes auf blütenreine Äcker Wert legt, lässt Riske Nester mit Kornblumen oder Klatschmohn stehen, soweit sie es für ackerbaulich vertretbar hält.

Landwirtschaft und Bienen: Ökologische Vorrangflächen

Seit 2014 muss jeder landwirtschaftliche Betrieb in Europa, der mehr als 15 Hektar bewirtschaftet, fünf Prozent seiner Fläche als ökologische Vorrangflächen nachweisen. Nur dann erhält er die volle Hektarprämie von 263 Euro. Diese Flächen sollen primär dem Natur- und Umweltschutz dienen. In der Praxis bemängeln Experten, dass viele der Maßnahmen, die Landwirte auf diese Fläche anrechnen dürfen, kaum Wert für den Erhalt der Artenvielfalt haben. Zudem wählen viele Betriebe den einfachen Weg, indem sie sich auf ein oder zwei Maßnahmen beschränken, die leicht zu erfüllen sind, etwa den Anbau von bestimmten Zwischenfrüchten oder von Leguminosen. Bis 2017 war auf solchen Äckern sogar der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gestattet. Als höherwertig geltende Elemente, wie Hecken, Knicks und Randstreifen um Gewässer, machen den eher kleineren Teil aus.

Bei der Agrar GbR Groß Kiesow sind 13 % der ackerbaulichen Fläche als ökologische Vorrangfläche gemeldet. Einen finanziellen Vorteil bringen die zusätzlichen acht Prozent dem Betrieb nicht. Gezahlt wird lediglich die normale Förderprämie. „Die wird heute schon häufig von der Pacht aufgefressen“, sagt Riske. Sät die Landwirtin Bienenweide aus, kommen die Kosten für das Saatgut und die Bearbeitung der Flächen dazu. Die Agrar GbR hat dennoch etliche Hektar mit Bienenweide bestellt, die als ökologische Vorrangfläche eingestuft wurden. „Es muss sich nicht jeder Hektar lohnen“, sagt Riske.

„Das Highlight des Wildbienenschutzes in Riskes Betrieb ist jedoch die seit 27 Jahren unbewirtschaftete Wiese, auf der sie in Kooperation mit der Universität Ulm einen Nisthügel für Wildbienen angelegt hat.“

Etwas mehr Geld bekommen Landwirte, wenn sie die Aussaat von Bienenweidemischungen als Agrarumweltmaßnahme fördern lassen. Jedes Bundesland hat dafür eigene Förderprogramme mit eigenen Fördersätzen. Allerdings sind die Fördergelder oft an viele Bedingungen geknüpft, die schwer einzuhalten und nicht immer nachvollziehbar sind. So müssen die Flächengrößen mit einer Genauigkeit von vier Stellen hinter dem Komma angegeben werden. Weicht die tatsächlich bestellte Fläche um mehr als zwei Prozent von der beantragten ab, drohen dem Betrieb Sanktionen. Vorgeschrieben ist – neben dem Zeitpunkt der Mahd – auch, dass das Mähgut nicht genutzt werden darf. „Solche Vorgaben sind oft sehr streng und nicht immer sinnvoll“, sagt Riske. Daher verzichtet sie in vielen Fällen auf die Prämie und bestellt die Felder lieber auf eigene Kosten.

Das Highlight des Wildbienenschutzes in Riskes Betrieb ist jedoch die seit 27 Jahren unbewirtschaftete Wiese, auf der sie in Kooperation mit der Universität Ulm einen Nisthügel für Wildbienen angelegt hat (siehe Kasten). Dort fliegen die winzigen Bienen hin und her, bringen Pollen oder buddeln im Sand. Verschiedene Sand-, Furchen- und Schmalbienen hat der Wildbienenexperte Johann-Christoph Kornmilch dort bereits beobachtet. 77 Wildbienenarten hat er im vergangenen Jahr auf der Fläche gezählt, in diesem Jahr kommen weitere hinzu. „Das ist eine hohe Zahl für eine recht strukturarme Fläche im Agrarbereich“, sagt Kornmilch.

Direkt gegenüber hat Riske eine mehrjährige Bienenweidemischung ausgebracht, die von der Universität Ulm speziell für Wildbienen entwickelt wurde. Kornmilch hat auch dort schon manche Perle entdeckt. Wenn die Landwirtin Zeit hat, sieht sie Kornmilch dabei zu, wie er die Bienen mit dem Käscher fängt, die Tiere bestimmt und begeistert den lateinischen Namen ausruft. Dann macht sie Fotos, fragt: „Wie heißt die auf Deutsch?“, und notiert sich den Namen.

Konventionelle Landwirtschaft und Bienen sind also durchaus miteinander vereinbar – gewusst wie, können sogar Wildbienen und andere seltene Insektenarten angezogen werden.

Landwirtschaft und Bienen
Diese Wiese wurde mit einer mehrjährigen Mischung bestellt. Zur Pflege wird die Fläche einmal jährlich im Spätsommer gemulcht. Foto: Sabine Rübensaat

Silke Beckedorf

INFO: Ein Kleefeld als Agrarumweltmaßnahme für Landwirtschaft und Bienen

Agrarumweltmaßnahmen sind Ländersache. Die Fördertöpfe können daher unterschiedlich gut gefüllt sein. In Mecklenburg-Vorpommern erhalten Landwirte 680 Euro pro Hektar, zuzüglich zur Flächenprämie (263 Euro), wenn sie sich am Bienenweideprogramm beteiligen. Ist die Fläche gleichzeitig als ökologische Vorrangfläche gelistet, sinkt der Satz auf 380 Euro Zusatzprämie. Solche Flächen verursachen dem Landwirt aber auch Kosten: Die hier verwendete Bienenweidemischung kostete rund 40 Euro pro Hektar, außerdem muss die Fläche mehrfach mit Maschinen bearbeitet werden.

INFO: Bienenweide als ökologische Vorrangfläche

Fünf Prozent seiner ackerbaulich genutzten Fläche muss jeder größere landwirtschaftliche Betrieb als ökologische Vorrangfläche nachweisen. Seit 2018 werden auch Honigbrachen und Felder mit Durchwachsener Silphie darauf angerechnet. 15.000 Hektar Honigbrache wurden gleich im ersten Jahr bundesweit von Landwirten angelegt und gemeldet, Spitzenreiter war Niedersachsen mit gut 4.100 Hektar. Sowohl ein- als auch mehrjährige Flächen sind möglich. Gerade für Wildbienen sind mehrjährige Flächen von Vorteil, da viele Stauden erst im zweiten Jahr blühen und die Nester im Boden nicht zerstört werden. Landwirte bevorzugen manchmal einjährige Mischungen.

INFO: Pflanzenschutz

Ackerflächen müssen nicht immer ganzflächig behandelt werden. Im Frühjahr ermitteln Landwirte im Rahmen einer Bonitur, wo Ackerkräuter wachsen. Daraus wird ein Spritzplan erstellt, auf dem die zu behandelnden Bereiche eingetragen werden. Doreen Riske lässt kleinere Nester stehen, sodass ihre Felder bunte Tupfer haben. An den Feldrändern lässt sie einen zwei Meter breiten Streifen unbehandelt. Auch bei Insektizidbehandlungen trifft sie eine genaue Abwägung im Einzelfall. Muss gespritzt werden, erfolgt eine Absprache mit dem Imker.

INFO: Landwirtschaft und Bienen – das Wildbienenprojekt

Welche Lebensbedingungen brauchen Wildbienen? Diese und andere Fragen untersucht das Verbundprojekt BienABest der Universität Ulm unter Leitung von Prof. Manfred Ayasse. Der Betrieb von Doreen Riske ist einer von 20, die bundesweit an dem Projekt teilnehmen. Erforscht werden soll, wie sich die Artenvielfalt von Wildbienen in der Agrarlandschaft stabilisieren und sogar fördern lässt. In jedem Betrieb wird ein Wildbienenhügel angelegt: ein Sandhaufen mit Flächen in unterschiedlichen Neigungswinkeln, der über mehrere Jahre von Vegetation freigehalten wird. 60 % aller Wildbienenarten nisten im Boden – und finden häufig keine freien und ungestörten Bodenstellen mehr, um dort ihre Nester anzulegen.

In der Umgebung des Nisthügels wird jeweils eine Fläche mit mehrjähriger Bienenweide ausgesät, die von der Universität entwickelt wurde. Diese Mischung besteht aus Saatgut gebietsheimischer Pflanzen und enthält Futterpflanzen spezialisierter Wildbienenarten. „Wildbienen brauchen Nahrung und Nistmöglichkeiten, um sich anzusiedeln, und zwar möglichst für längere Zeiträume“, sagt Ayasse. Außerdem fliegen gerade kleine Arten nur kurze Strecken und benötigen vernetzte Biotope.

INFO: Änderungen absehbar

Jeweils sieben Jahre läuft eine Förderperiode für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Ende des kommenden Jahres endet die laufende – und die Vorbereitungen für die neue Periode ab 2021 laufen bereits seit 2016. Bisher liegt ein Vorschlag des noch amtierenden Agrarkommissars Phil Hogan vor, der unter dem alten Parlament in den Ausschüssen diskutiert wurde. Darin ist vorgesehen, dass die Vorgaben, die an die Direktzahlungen an die Landwirte geknüpft werden, unter dem neuen Oberbegriff „Konditionalität“ zusammengefasst werden sollen. Dies würde die bisherigen Konzepte der „Cross Compliance“ und des Greenings ersetzen. Die neue Version der GAP enthält ebenfalls Pflichten, die Landwirte im Bereich Umwelt- und Klimaschutz einhalten müssen, um Fördergelder zu bekommen.

Ein Teil der Mittel aus der sogenannten ersten Säule soll unter dem Begriff „Eco schemes“ für einjährige ökologische Maßnahmen eingesetzt werden. Zurzeit ist die Rede von 20 % der Mittel. Wozu diese Gelder genau dienen und ob sie wirklich flächendeckend in jedem Mitgliedstaat eingesetzt werden müssen, steht noch nicht fest. Schon jetzt ist klar, dass bestimmte Forderungen der Natur- und Umweltschutzverbände nicht umgesetzt werden. So wollte der Deutsche Naturschutzring, dass erste und zweite Säule zusammengefasst und viel stärkere Umweltauflagen an das Tun der Landwirte geknüpft werden sollten. Der Deutsche Imkerbund forderte, Bienenweide stärker zu berücksichtigen.

Insgesamt sollen die Mitgliedstaaten mehr selbst entscheiden können. Jeder Staat soll ein Konzept mit eigenen Regeln vorlegen. Das gilt auch für Föderalstaaten wie Deutschland. Kritiker befürchten, dass die größere Flexibilität einen Wettlauf nach unten auslösen könne, um einen nationalen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.



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